Neulich am Rhein

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Es gibt tatsächlich eine Eigenschaft an mir, über die ich immer wieder froh und dankbar bin: ich kann ziemlich gut über mich selber lachen. Das ist vor allem eine nützliche Eigenschaft, wenn man ausserdem gelegentlich ein bisschen ungeschickt ist – oder dappich, wie es in der Gegend heisst, in der ich aufgewachsen bin.

Ich war also gestern auf dem Weg zum Einkaufen erst mal kurz an meiner Lieblingsstelle am Rhein. Da war ich im ganzen Jahr für meinen Geschmack noch viel zu selten, irgendwie ist immer was anderes. Gestern dann aber endlich und ich hatte auch endlich mal daran gedacht, die wasserfeste Kamera mitzunehmen. Bisher war ich immer zu feige zu testen, ob sie auch wirklich dicht ist, aber es ist vermutlich eine gute Idee, das eher im Rhein auszuprobieren als im Atlantik. Nicht, dass ich schon genaueres wüsste, dass ich bald wieder dort bin, dafür gibt es in diesem Jahr noch zu viele Unsicherheitsfaktoren (von A wie Auto bis W wie Wohnungssuche) bis Oktober, aber ich hoffe es natürlich.

Der Strand an der Lieblingsrheinstelle ist gerade ungewöhnlich groß, durch die andauernde Trockenheit steht der Fluss gerade sehr niedrig und ich war froh, als dann endlich ein Schiff in Sicht kam, weil das natürlich bedeutet, dass es gleich Wellen gibt. Das ist ja an Meeren so viel praktischer, da haben die meist eine recht passable Größe und man ist nicht auf die Bugwellen von Schiffen angewiesen.

Ich ging also, noch während das Schiff auf gleicher Höhe mit mir war, zwei Schritte auf den Rhein zu, packte die Kamera in Position und wartete auf die Wellen.

Dann kam die erste Welle und ich muss im Refelx  abgedrückt und dieses eher unspektakuläre und unscharfe Bild oben geknipst haben. So genau wusste ich das nämlich nicht mehr, ob ich tatsächlich überhaupt ein Bild geschossen habe, denn mit der Welle kam das Wasser.

In die Schuhe.

In die Socken.

In die unteren 20 cm der Jeans.

Alles klatschnass. Und mit dem Wasser kam der Lachanfall. Wow. Ich hatte tatsächlich völlig ausser acht gelassen, erst mal darauf zu achten, wie weit die Wellen auf den Strand schlagen, wenn ein Schiff vorbeifährt. Es war ja das erste, das da gestern vorbeikam. Üblicherweise macht das keinen so riesigen Unterschied aus, aber ich hatte das auch noch nie bei solchem Niedrigwasser erlebt. Bis etwa 1,5 oder 2 m hinter mir schwappte das Wasser über den Sand.

Und weil das Bild so unspektakulär und unscharf ausgefallen ist und ich _aus Gründen_ kein weiteres mehr gemacht habe, hier also wenigstens die Geschichte zum Bild. 😀

Ich gehe derweil mal gucken, was über Nacht aus meinen Schuhen geworden ist, die mit Zeitungspapier ausgestopft auf der Terrasse stehen.

Katja

fast car

Als ich 19 oder 20 war, war ich für eine Woche mit einer Freundin in genau jenem kleinen Dorf im Urlaub über das ich letztens hier schrieb. Wir waren damals spontan, nur mit dem Ziel irgendwo an die Ostsee zu fahren, losgefahren und nachdem wir in der Ferienzeit unterwegs waren und die ‚Zimmer frei‘-Schilder rar waren, probierten wir irgendwann unser Glück bei genau jener Familie, bei denen wir während meiner Kindheit immer in den Ferien die Wohnung gemietet hatten. Und dort war frei. Genau jene Wohnung von früher und wir bekamen sie sogar zum ewigen Familienfreundschaftspreis.

Kurz vor der Abreise hatte die Freundin ihr Auto ausgemistet und sauber gemacht und was uns auf der Fahrt erst weit hinter Kassel auffiel, war, dass sie vergessen hatte, ihre Cassetten, die sie zum Autoputzen rausgenommen hatte, nicht wieder eingeräumt hatte. Wir hatten nur die eine einzige, die gerade im Autoradio steckte und weil noch dazu ihr Radio kaputt war und nur das Cassettenteil funktionierte, hörten wir eine ganze Woche lang nur diese eine Cassette.

Das wirklich erstaunliche ist, dass mir die Musik nach der Woche Dauerberieselung nicht zu den Ohren rauskam. Stattdessen bin ich ziemlich direkt nach dem Urlaub losgezogen, um mir selber die Platte zu kaufen. Heutzutage läuft die Musik von Tracy Chapman viel zu selten bei mir, aber ich mag sie auch nach all den Jahren immer noch genauso gerne wie damals und zu der ersten Platte haben sich im Laufe der Jahre noch ein paar hinzu gesellt.

Aber die erste, die ganz simpel nach der Künstlerin benannt ist, ist mir immer die liebste geblieben. 🙂

Katja

 

Mohnkoppweck

Keine 100 Meter von dem Haus entfernt, in dem ich aufgewachsen bin, befand sich die Bäckerei des kleinen Ortes. Von zuhause aus musste ich nur unsere lange Hofeinfahrt runter bis zur Straße, dann die Straße, auf der damals nie besonders viel los war, überqueren und noch an die 60 oder 70 Meter weiter in Richtung der Kirche, die in dem Ort mitten auf einer Verkehrsinsel steht. Über der Eingangstür wies nur ein kleines Schild auf die Bäckerei hin und wenn man in den Laden wollte, musste man das Haus durch die ganz normale Haustür, die man, wenn geöffnet war, einfach aufdrücken konnte, betreten. Vom Hausflur aus gelangte man nach links in die Wohnung der Bäckersleute, weiter hinten knickte der Flur nach rechts ab, dort ging es in die Backstube und die einzige Tür auf der rechten Seite führte in den kleinen Laden, in den nicht mehr als 3 oder 4 Kunden auf einmal passten. Die anderen mussten im Flur warten. Nur wir Kinder quetschten uns oft fast im Dutzend zusammen in den engen Raum.

Der Laden hatte eine Holzeinrichtung, die in diesem für die 60er Jahre typischen Mittelkackbraun lackiert war. Gegenüber der Tür war direkt schon die Ladentheke; auf der linken Seite niedriger, weil man dort seine Waren bekam, auf der rechten Seite etwas höher und zum Teil als verglaste Vitrine. Auf der Theke stand die alte Registrierkasse, die bei jedem Öffnen klingelte und hinter der Theke befand sich das Brotregal, oben Regale für die Brote, unten eine Art Schütte für die Brötchen. Die Brötchen hießen dort natürlich nicht Brötchen sondern Weck, so wie sie in München Semmeln oder in Hamburg Rundstücke heissen. Es gab dort eine einzige Brotsorte, ein Roggenmischbrot und eine einzige Sorte Brötchen, die ganz normalen und es gab Kümmelstangen. Ausserdem konnte man Weissbrot bekommen, das wurde aber nur in abgezählter Stückzahl auf Vorbestellung gebacken. Das normale Brot bestellte man besser auch, denn sonst war am Nachmittag häufig nichts mehr übrig. Wenn man Samstagmorgens Brötchen zum Frühstück wollte, musste man sich den Wecker stellen, denn nach 8 oder allerspätestens halb 9 hatte man nur selten Glück. Wenn etwas aus war, wurde nicht mehr nachgebacken, das gab es dann eben am nächsten Tag wieder. Aber für Notfälle, gab es immer eine tiefgekühlte Reserve an Brot aus der privaten Tiefkühltruhe der Bäckersfamilie. Auch am Mittwochnachmittag, an dem der Laden eigentlich geschlossen war. An den anderen Nachmittagen gab es Kaffeestückchen. Die besten Nougatplunder der Welt (und ich habe mittlerweile viele verschiedene an verschiedenen Orten probiert), Zimtschnecken mit dickem hellen Zuckerguss, die ganz ok waren, wenn man die Rosinen rauspickte, Streusselstückchen und diverse Blechkuchen, je nach Saison. Damals wurde noch jeden Nachmittag der Kaffeetisch gedeckt und fast immer gab es ein Stückchen dazu.

Zweimal im Jahr, im Frühling und im Herbst, wenn im Ort der traditionelle Krämermarkt veranstaltet wurde, gab es ausserdem Schillerlocken, gefüllt mit Sahne oder Buttercreme und sog. Maatsweck. Das war vom Teig her etwas ähnliches wie Rosinenbrötchen, aber ohne die doofen Rosinen (ich mochte sie trotzdem nicht, ausser in kalte Milch getunkt). Zu Beerdigungen wurden die gleichen Brötchen zum Trauerkaffee gereicht, da hießen sie allerdings nicht Maatsweck, sondern Beerdigungs- oder Totenweck.

Über der Ladentür hing eine große Glocke, die anschlug, wenn man die Tür öffnete und dann dauerte es meist nur einen kleinen Augenblick bis die Bäckersfrau durch die immer offenstehende Schiebetür hinter der Theke den Laden betrat. Tante Hilde. Oder eigentlich eher sowas wie „Dante Hilde“, weil das der Aussprache im Dialekt meines Heimatortes viel eher entsprechen dürfte. Wobei das „D“ in „Dante“ ein bisschen härter als ein normales „D“ und das „T“ ein bisschen weicher als ein normales „T“ gesprochen wird. Natürlich war sie nicht meine echte Tante, aber alle Kinder im Dorf nannten sie so, obwohl sie vom Alter her eher unsere Oma hätte sein können. Tante Hilde trug immer ihre Haare in einem korrekten Dutt hochgesteckt, der war ziemlich breit und groß und saß ziemlich weit oben auf ihrem Kopf. Deutlich weiter vorne als bei den meisten anderen Frauen, die einen Dutt trugen. Darüber trug sie, wenn sie in der Backstube oder im Laden war, immer ein Haarnetz, das in der Farbe ein kleines bisschen heller war, als ihr eigener Haarton, sodass man das immer sehen konnte. Und sie hatte immer eine dunkelblaue Kittelschürze mit adrettem weissen Kragen und weiss eingefassten Säumen an.

Oben auf der Ladentheke standen die Dinge, die damals unsere Kinderherzen am meisten begehrten. Kleine Gefäße mit allerlei Süßigkeiten, je für wenige Pfennige zu haben. Da gab es kleine rote Kirschlutscher mit grünen Pappstielen, bunte Kaustäbchen in Orangen-, Himbeer- und Zitronengeschmack, Lakritzschnecken, die ich schon als Kind nicht mochte, essbare Schnüre mit Apfel- und Colageschmack, weisse Schaummäuse und vor allem die runden Brausebonbons, die nur 2 Pfennige das Stück kosteten. Obwohl wir die einzelnen Preise natürlich auswendig konnten, standen wir immer lange überlegend und halblaut zusammenrechnend da und verplanten unser Taschengeld. Wir alle hatten Tante Hilde wirklich lieb. Nicht nur, dass sie immer freundlich zu uns war und ohne zu drängeln abwartete bis wir endlich wussten, was wir wollten. Sie verlor auch nie die Geduld, wenn sich wieder mal jemand verrechnet hatte und oft packte sie uns ein, zwei Dinge mehr in die kleinen, weissen Papierspitztüten, in denen wir die Kostbarkeiten aus dem Laden trugen. Und wenn man mit dem für Brot exakt abgezählten elterlichen Geld geschickt wurde, schenkte sie einem immer einen der Kirschlutscher oder eine weisse Maus, damit man nicht leer ausging. Ich war ungefähr 10 als sie starb und ich war damals lange traurig und habe sie vermisst, wie viele andere Kinder im Ort auch.

Tante Hildes Mann, der alte Bäcker, an dessen Namen ich mich gar nicht mehr erinnern kann, bekam man nur selten zu Gesicht. Eine Staublunge hatte er, durch das jahrzehntelange Einatmen des feinen Mehlstaubes ohne Mundschutz und er war schon, als ich noch recht klein war, sehr krank. Der Sohn hatte danach die Backstube übernommen, Bäckers Arnold – sprich: Bäggösch Annold, das „ö“ ganz weich gesprochen. Die Bäckersfamilie hieß nicht Bäcker, aber in meinem Heimatdorf war es üblich, dass die Leute sog. Dorfnamen hatten. Die waren Generationen früher, viele anhand der damaligen Berufe der Menschen, entstanden und zogen sich durch die Generationen fort. Oft war auch der Name mit dem Haus seiner früheren Bewohner verhaftet. Zogen Auswärtige in ein altes Haus, so bekamen sie auch oft den Dorfnamen der früheren Bewohner verpasst, da hieß man dann zB Zinke-ihr-nu-Fraa.

Morgens, wenn wir zur Bushaltestelle gingen, um mit dem Schulbus zur Schule zu fahren, hatte der Bäckersladen noch geschlossen. Aber hinten, an der Tür von der Backstube zum Hof, brannte immer für uns Kinder Licht. Die Backstubentür war nur angelehnt und wir mussten nur kurz rufen, dann kam der Bäcker mit einem Blech frischer, noch warmer Weck zur Tür. Er stellte sein Blech ab, nahm ein großes Messer, schnitt die Brötchen auf und packte einen der Mohnköppe, die Tante Hilde auf einem silbernen Tablett bereit gestellt hatte, in jedes Brötchen und jedem von uns einen Mohnkoppweck in eine Papiertüte. Mohnkoppweck, so hieß das damals in dem Ort. Erst Jahre später wunderte ich mich, weil da ja eigentlich gar kein Mohn drin war und noch später war der Begriff „Mohrenkopf“ politisch überaus unkorrekt. Vielleicht war er das auch damals schon, aber nicht in diesem Ort, in dieser kleinen Blase, in der man lebte. Die heutigen Schokoküsse hießen nunmal so. Das Geld, 25 Pfennige kostete dieser köstliche süße Genuss, hatten wir abgezählt in der Hand, denn es musste schnell gehen, damit wir den Bus nicht verpassten.

Ein paar Jahre später baute Bäckers Arnold sein Elternhaus um. Dort wo es links zur Wohnung der Bäckersleute ging, baute er einen größeren Laden hin mit einem eigenen Eingang und mit großem Schaufenster, vielen beleuchteten Regalen, hellem Fließenboden und einer Vitrine, so groß wie der ganze alte Laden gewesen war. Es gab eine zweite Sorte Brot, ein Vollkornbrot und jeden Tag Weissbrot, auch ohne Bestellung und es gab eine dunkle Brötchensorte und samstags auch Käse- und Sesam- und Mohnbrötchen. Noch ein paar Jahre später, erkrankte auch Arnold an einer Staublunge. Er zog aus dem Ort weg und verkaufte die Bäckerei. An Auswärtige. Die blieben erst mal bei den altbewährten Rezepten, änderten und ergänzten erst mal nur zaghaft das Sortiment. Die „neuen“ sind mittlerweile längst eingebürgert, haben die Bäckerei immer noch.

Aber dieser Charme des alten Ladens, der Charme von Tante Hilde und von noch warmen Mohnkoppweck, frisch von der Backstubentür, der ist nurmehr eine schöne Erinnerung.

Katja

 

Neulich in Innsbruck

Beim Durchqueren der Innsbrucker Innenstadt bot sich mir vor einigen Tagen dieses hier abgebildete grausame Bild der Tierquälerei:

Gleich zu Dutzenden hatte man die armen Bärchen gezwungen, in die landestypische Tracht der Alpenregionen zu schlüpfen und ich mochte mir gar nicht das Ausmaß des seelischen Schadens vorstellen, das die gepeinigten Bärenseelen davontragen würden.

Doch just als ich dabei war, mein Handy zu zücken, um zuerst das Fellmonsterchen zu verständigen, um mir wortgewaltige Unterstützung im Kampf gegen Seppelhosen zu sichern und anschließend Bärnesty International zur Befreiung der misshandelten Geschöpfe, sprach mich einer der Bären in fast akzentfreiem Hochdeutsch an und versicherte mir, dass das alles seine Richtigkeit hätte und dass sie alle freiwillig, sowohl in dieser Kluft als auch in diesem Körbchen verweilten, da es sich um eine Spezialeinheit der Bärizei handele, die ihrerseits in Undercovermission unterwegs sei, um die tatsächlich gepeinigten Mützentiere zu retten, denen man – man mag sich das Ausmaß der Grausamkeit kaum vorstellen – kalte Metallständer dorthin geschoben hätte, wo sich eigentlich wärmende Kinderköpfe befinden sollten, damit es den Mützentieren nicht zu kalt ist und das natürlich gerade in diesem Sommer, wo keine Mütze ohne wärmenden Kopf rumlaufen und schon gar nicht auf kalten Metallständern rumhängen sollte!

Der Oberspezialagent der Bären bat mich also – unerklärlicherweise auf einmal gar nicht mehr so akzentfrei – mit einem freundlichen ‚Oiso schlaich di!‘ die Undercoverermittlungsarbeiten nicht durch mein auffälliges Verhalten zu gefährden und ein letzter Blick in die Augen eines der Mützentiere zeigte mir, wie dringend ich diesem Wunsch nachkommen sollte!

Katja

Ich mag…

…Themen, die ich so spannend finde, dass ich pro Browsertab mit Infos, den ich schließe, mindestens 3 neue öffne und mich immer tiefer ins Thema eingrabe und immer mehr wissen will. Streng abzugrenzen von jenen Dingen, wo man die Infos aus 3 neuen Tabs braucht um jene des offenen zu verstehen. So ein wirkliches Festlesen aus Interesse.

Gerade geht mir das so mit allen Informationen zur Alhambra, zur Geschichte Andalusiens, zur Zeit der Nasriden Dynastie in Granada, zum letzten Emir von Granada und und und…

Ausgelöst wurde dieser Schub durch ein Buch, das ich gerade lese – Mondlaub von Tanja Kinkel, wo es um jene letzten Züge von al-Andalus geht. Ich hatte vor einiger Zeit schon die Puppenspieler von ihr gelesen und diese Autorin schafft, was keiner meiner Geschichtslehrer je geschafft hätte – ich entwickle Interesse an geschichtlichen Dingen und bekomme durch das Lesen ihrer Bücher immer Lust auf mehr Informationen über die Zeit und die Hintergründe, vor denen sie ihre Geschichten platziert. Herrlich echt. Richtiger kann man es kaum machen.

Bei Mondlaub geht mir das ganz extrem so, weil ein guter Teil der Geschichte in der Alhambra spielt – zwischen all den Säulen, Wasserläufen und in den Gärten, wo ich vor nicht mal einem Jahr gewesen bin. Das macht das Lesen so faszinierend, weil ich die Schauplätze vor Augen habe.

Wenn im Buch steht:

Am nächsten Tag gingen die Feierlichkeiten weiter, aber sie brauchten nicht mehr daran teilzunehmen. Also wanderten sie ungewohnt ziellos durch die Alhambra und beschäftigten sich damit, ihre Lesekünste an den zahllosen Gedichten und Suren zu erproben, die überall an den Wänden geschrieben standen.

(Tanja Kinkel, Mondlaub, Seite 54)

dann kann ich diese beschriebenen (haha, im doppelten Sinne) Wände vor meinem inneren Auge abrufen und Tariq und Layla auf ihrem Weg begleiten und ich weiss, dass das ‚zahllos‘ nicht übertrieben ist, weil ich es mit eigenen Augen gesehen und bestaunt habe (und mir gewünscht habe, ich könnte lesen, was dort überall geschrieben stand).

Und auch die anderen Schauplätze des Buches kenne ich wenigstens dem Namen nach, hab sie teilweise besucht. Diese Mischung aus spannender Geschichte und eigenem Erinnern hat mich gerade ganz tief in diese Welt eingesogen und ich kann mich voll Begeisterung vertiefen und mehr und mehr und mehr darüber lesen.

Und die Faszination (und auch das Wissen, dass mein nächster Spanienurlaub quasi vor der Tür steht und ich noch so viel vom letzten erzählen wollte) hat auch dazu geführt, dass ich endlich mal den Riesenbatzen Alhambra-Fotos sortiert habe, um euch einige davon zu zeigen.

Mal sehen, wie ich das mache, es sind trotz allen Sortierens immer noch ganz schön viele übrig. Ihr wisst vermutlich mittlerweile, kurz und knapp und eingeschränkt ist nicht so meines. *soifz*

Für den Anfang gibt es heute ein paar erste Bilder, nämlich jene von der Wassertreppe im Bereich der Generalife (dazu später mehr). Über die Wassertreppe gelangt man zum höchsten Punkt der (des? Ich glaube, ‚der‘ klingt richtiger für mich) Generalife, von wo aus man eine wunderbare Aussicht hat.

Wasserbecken, Wasserrinnen und Springbrunnen gibt es überall in der Alhambar und den Gärten des Generalife – die Treppe hat mich wohl am meisten beeindruckt. Dort, wo sich normalerweise die Handläufe einer Treppe befinden, befinden sich bei der Wassertreppe Wasserrinnen, unterbrochen von etlichen Stellen, wo das Wasser sprudelnde Schlenker hinlegt und man steigt unter einem Blätterdach (ich glaube Lorbeer, man kann die Blätter auf einigen Fotos sehen, kann jemand verifizieren, dass das Lorbeer ist?) nach oben. Nach einem extrem heissen Tag, mit glühender Sonne, extrem vielen Menschen und vom vielen Laufen schmerzenden Füßen, kam mir die kühle Treppe mit den rauschenden und glucksenden Wasserläufen sehr beruhigend und kühlend vor.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Und das direkt schonmal: Solltet ihr je auch nur Ansatzweise in die Nähe Granadas kommen, nehmt euch einen Tag Zeit und besucht die Alhambra! Wirklich! (Und plant das vorher und besorgt euch die Karten, Spontanbesuche sind pure Glückssache, weil alle dorthin wollen.) Das ist eines der beeindruckendsten Dinge, die ich je im Leben gesehen habe. ♥

Katja

Bunt

Immer, wenn ich etwas sehr buntes sehe, muss ich an einen Besuch bei meiner Freundin vor vielen Jahren denken. Ihre Tochter war damals noch ganz klein, konnte gerade so laufen und die ersten Worte sprechen.

Die Freundin und ich saßen gemütlich in ihrer, zum Wohnzimmer offenen, Küche und schlürften Kaffee, die Kleine saß mit ihren Farbstiften und einem riesigen Zeichenblatt – der Papa hatte ihr extra A2-Format mitgebracht, weil ihr alles andere immer zu klein war – auf dem Parkett im Wohnzimmer und malte stillvergnügt vor sich hin.

Irgendwann gingen wir rüber, um nach ihr und ihrem Bild zu schauen und hatten erst mal die Münder offen stehen. Selbst das Din A2 Zeichenblatt war noch zu klein und da wo das Papier endete, hatte K. rundum etwa 10 cm breit auf dem Parkettboden weitergemalt. Echtholz versteht sich.
Die Freundin macht sich bereit zum Schimpfen, guckt ihre Tochter an und fragt ‚K., was machst du denn da?‘ Die Kleine guckt zurück und sagt mit treuherzigem Augenaufschlag ‚Bunt!‘.

Schimpfen funktioniert irgendwie nicht, wenn man laut prustend dasteht. Aber wer braucht schon pädagogische Wirksamkeit, wenn’s stattdessen Lachtränen gibt? 😀
Die einzige, die mit unserer plötzlichen Heiterkeit nichts rechtes anfangen konnte, war die kleine K. Immerhin hatte sie ja nur die Frage ihrer Mutter ganz ernsthaft beantwortet.

Wie ich darauf komme? Ich hab gerade bunt gemacht!

 

Zusammen auf dem Schneidebrett in minimalistischer Version sieht das dann so aus:

Katja (Gemüseschnippelfee)

Junkie (Selbstdisziplinierung)

Damals™, ich war wohl so um die 10 Jahre alt, musste meine Schwester regelmäßig alle paar Wochen zum Facharzt in der 20 km entfernten Stadt. Natürlich fuhr ich immer mit – wann hatte ich sonst schon die Gelegenheit ‚in die Stadt‘ zu kommen? – oft genug in Begleitung meiner Freundin, dann war es leichter, meine Mutter davon zu überzeugen, dass sie uns alleine in der Fußgängerzone rumstromern lassen müsse.

Mein liebster Laden war von aussen völlig unscheinbar und hatte auch nur ein winziges Schaufenster, das überhaupt darauf hinwies, dass es sich dabei um ein Geschäft handelte. Und doch bekam ich jedes Mal, wenn ich die schlichte Holztür aufdrückte, in deren Rahmen ein kleines Glöckchen befestigt war, das das Eintreten neuer Kunden bezeugte, Herzklopfen. Vom Fußboden bis zur etwa 4 Meter hohen Decke des Ladens im Altstadthaus reihten sich dicht an dicht ein Regal an das andere und sie alle enthielten Bücher. Und mittendrin fand sich der Eigentümer des Ladens, ein älterer Herr, damals schon eigentlich jenseits des Ruhestandsalters mit wachen hellblauen Augen.

Und obwohl wir Kinder waren, waren wir dort immer sehr willkommen, durften beliebig lange stöbern, Bücher aus dem Regal ziehen, durchblättern, reinlesen. Der Eigentümer hielt sich im Hintergrund, gelegentlich drückte er einem dieses oder jenes Buch in die Hand, von dem er dachte, dass man es mögen würde und auf alle Fragen hatte er eine Antwort. Überhaupt schien er von jedem einzelnen Buch im Laden zu wissen, wo genau es stand. Suchte man etwas bestimmtes, musste er nie nachschauen, ob er das Buch vorrätig hatte – er wusste das einfach. Hatte er es da, hatte er flink seine riesige Leiter parat und brauchte zielsicher nur einen einzigen Griff, um das Buch aus dem Regal zu ziehen.

Ebenso wie ich damals schon Bücher liebte, liebte ich diesen Laden und seinen freundlichen Eigentümer.

~

Jahre später, mittlerweile hatte ich mein Abi im zweiten Bildungsweg gemacht und studierte an der Uni der etwas größeren Stadt. Nach Ende der Univeranstaltungen zog es mich häufig in die Stadt, wobei das eigentlich nicht ganz stimmt. Vor allem zog es mich nämlich in die Buchhandlung am Ende der Fußgängerzone. Über vier Etagen zogen sich die Bücherregale und mein ’nur mal gucken‘ endete fast immer mit einer ziemlich großen Tasche voller Bücher, für die ich viel mehr Geld ausgegeben hatte, als ich mir eigentlich als Limit gesetzt hatte.

Die Buchhandlung war nicht so klein und verschroben, aber immer noch mit viel Herzblut von den freundlichen Eigentümern geführt.

~

Bücher kaufen und Buchhandlungen sind für mich die größten Verlockungen. An Schuhgeschäften kann ich locker im Dutzend vorbeischlendern, ohne auch nur einen Blick in eines Schaufenster zu werfen, aber an der Tür einer Buchhandlung vorbeizugehen, kostet mich wirklich Willenskraft.

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Wenn ich Bücher lese (und noch dazu mag) muss ich sie auch besitzen. Leihbüchereien sind eine großartige Sache, aber ich kann das einfach nicht. Das muss meines sein. Bei Büchern schlimmer als bei irgendetwas sonst.

In den letzten 1,5 Jahren habe ich soviel gelesen, wie sonst in mehreren Jahren zusammen. Dass ich mir diese ganzen Bücher überhaupt leisten konnte, lag daran, dass ich fast ausschließlich gebrauchte Bücher gekauft habe, die beim Amazon Marktplatz kaum teurer als die Versandkosten waren. Und auch, wenn das natürlich kein Vergleich ist zu dem Gefühl, ein neues Buch zum ersten Mal aufzuklappen, mit dem Finger durch die Seiten zu fahren, daran zu schnuppern, ist es doch eine Möglichkeit, die Lesesucht finanzierbar zu halten.

Und wieso der lange Text?

Weil ich mir damit selber einen Antibequemlichkeitsdingens auferlegen will!

Was ich nämlich auch in den letzten Jahren gemacht habe und wobei ich mich immer ein bisschen schuldig gefühlt habe war, dass ich – der Einfachheit und Bequemlichkeit halber, weil es ja nach Hause geliefert wird – auch alle neuen Bücher, die ich gekauft habe, beim Versandriesen bestellt habe. Und das immer mit einem dumpfen ‚eigentlich müsste ich ja in einen Buchladen gehen und die dort kaufen‘-Gefühl im Bauch. Ich liebe Buchhandlungen, sehr, und ich will nicht, dass solche Läden, wie jener aus meiner Kindheit, aufhören zu existieren, nur weil ich es bequemer finde, mir ein Buch vom Postboten in die Hand drücken zu lassen, anstatt mal fix in die örtliche Buchhandlung zu hüpfen (haha! Als ob ich da jemals fix wieder rauskäme!), wenn ich eh in der Stadt bin.

Da war ich übrigens vor ein paar Wochen dann endlich mal drin, in der örtlichen Buchhandlung, als ich ein neues (im doppelten Sinne) Buch kaufen wollte. Leider nicht gerade meine Traumbuchhandlung (ich fürchte, da muss ich noch etwas weitersuchen), aber gekauft habe ich dort trotzdem mit gutem Gefühl.

Und werd’s auch in Zukunft bei neuen Büchern so handhaben. Ehrlich! Steht ja jetzt hier, muss ich auch machen. 😉

Katja

(In Th*lia Buchhandlungen bekommt mich übrigens – auch wenn die verführerisch groß und gut sortiert sind – aus Gründen niemand rein.)