madeja

So viel im Kopf und schon wieder klappt das nicht, dieses Hinsetzen und drauflos Schreiben bis es raus ist. Zu viele Gedanken auf einmal, zu ungeordnet, wie ein Wollknäuel, das die Katze dreimal quer durch den Raum gejagt hat und bei dem kein Anfang und kein Ende mehr zu finden ist. Wahrscheinlich würde es helfen, die Finger tief einzugraben in dieses Wollgedankenkonglomerat oder sie eben wieder so lange auf die Tastatur zu legen bis das funktioniert, aber das würde auch den Schmerz wieder hochholen, vor dem du schon die ganze Zeit in bunte Farben flüchtest, fast als könntest du in die Motive, die dabei entstehen schlüpfen und ihm entkommen. Aber nur fast. Und nur für eine kurze Weile funktioniert das ja auch wirklich, aber spätestens wenn die Nacht kommt, dreht der Kopf wieder rund und all die Tricks, die normalerweise ganz gut funktionieren, versagen derzeit. Zu viel auf einmal, zu ungeordnet, wie ein Wollknäuel… Moment, zurück, da waren wir doch gerade schon.

Katja

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Wie es ist.

Ich weiß nicht so genau, wann und wo mir auf dem Weg meine Gelassenheit so vollständig abhanden gekommen ist. Warum hingegen ist mir inzwischen einigermaßen klar, aber alleine die Erkenntnis ist wenig hilfreich, bräuchte ich doch genau die Gelassenheit, um besser damit umgehen zu können, dass ich meine Gelassenheit erst mal wieder finden muss. Und so verheddere ich mich gerade andauernd beim Denken, fahre immer noch und immer wieder übel Achterbahn und leider geht es dauernd dann doch nochmal ein Stückchen tiefer und dann, wenn ich denke, das war’s jetzt mit der Talfahrt direkt nochmal und mit Schwung und mir ist inzwischen ganz schlecht und ich hab Nackenschmerzen von dem vielen ruckartigen Fallen.

Ich suche den Resetknopf im Kopf. Den, der „jetzt aber mal wieder positiv und optimistisch. Zack“ einstellt. Das ist doch eigentlich meine Standardschalterstellung und gerade geht einfach gar nichts und ich bin mir so fern und kann mich selber nicht halten, mir keinen Halt geben. Ich drifte und falle und verliere mich oft in dunkler Verzweiflung. Mein Kampfgeist, der normalerweise in so Phasen anschlägt, liegt stattdessen gerade selber geschlagen am Boden und nachdem das ganze bisherige Jahr so enorm an meinen mentalen Kräften zehrt, geht mir immer mehr die Energie aus und da leuchtet immer häufiger die „ich kann nicht mehr“-Schrift in meinem Inneren auf, aber da sieht’s ja keiner und es blendet nicht.

Ich will das nicht mehr.

Und doch haut es mich alle Nase lang wieder um und dreht in endlosen Schleifen immer die gleichen Grübelrunden in meinem Kopf und ich bewege mich wie im Sturm zwischen Aufgeben und Aufraffen, wobei letzteres immer nur für einen kurzen Moment funktioniert bis der nächste Gedanke, das nächste Gefühl, mich wieder umwirft.

Ich. Will. Das. Nicht. Mehr.

Und es scheint so als würde es mich umso mehr und umso doller umhauen, je verzweifelter ich genau das nicht mehr will. Als würde sich da irgendetwas in mir einen riesigen Spaß mit mir machen, nur dass gar niemand drüber lacht.

Alle Maschinen auf Stopp. Erst mal zur Ruhe kommen. Sortieren. Vielleicht doch wieder mal im Außen damit anfangen und hoffen, dass das die Knoten im Inneren auch auflöst. Jene, die da irgendwo zwischen Denken und Fühlen sitzen und an denen ich immer hängen bleibe.

Und dann besinne ich mich endlich wieder mal auf den Spruch, der mir in den letzten Monaten so oft geholfen hat, ein bisschen ruhiger zu werden und mir zumindest eine Idee und Erinnerung an meine Gelassenheit liefert und der mir dann doch jedes Mal wieder abhanden kommt…

„Es ist, wie es ist und es kommt, wie es kommt.“
(Das ist das Lebensmotto des Protagonisten aus „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ von Jonas Jonasson)

Katja

All dein Alles

Warum nennst du es eigentlich Selbstwert, wo du deinen Wert doch so oft nicht selbst bestimmst, sondern dein Empfinden viel häufiger davon abhängt, wie wertvoll andere dich schätzen, wie wertschätzend sie mit dir umgehen? Müsstest du es der Richtigkeit halber dann nicht Anderenwert oder zumindest Außenselbstwert nennen und wie kommst du weg davon? Wie kannst du d(ein)en Selbstwert endlich wieder (endlich überhaupt!) zu einem echten Selbst-, einem Innenselbstwert machen, über den du selber die Hoheit hast, wo du selber deinen Wert bestimmst. Und dann lachst und soifzt du gleichzeitig und fragst dich (selbst) wieviel selber und Selbst passt überhaupt in einen so kurzen Absatz? Und dann lachst du gar nicht mehr und soifzt nur noch, weil du daran denken musst, wie wenig Selbst gerade von dir übrig ist.

Ich bin mir das gerade wert, ich muss mir das gerade wert sein, denkst du in letzter Zeit häufiger, aber eigentlich, wenn du ehrlich bist, musst du dich zu den Gedanken zwingen und sie haben nichts mit deinen Gefühlen zu tun, sind davon losgelöst. Vielleicht gibt es auch einen Unterschied zwischen dem gedachten Selbstwert und dem gefühlten? Und du kannst zwar deinen gedachten mit viel Disziplin in bestimmte Bahnen lenken, aber der gefühlte hängt und hinkt wie immer hinterher.

Diskrepanz. Wie immer. Immer. Immer. (Und an dieser Stelle musst du daran denken, wie sehr sie dir das Leben schwer macht und nicht nur die eigene, aber das ist ein anderes Thema, nur dass du das Wort nicht denken oder schreiben kannst, ohne daran zu denken.) Dein Kopf ist so erwachsen und deine Gedanken sind oft kluge, nur dein kleines, dummes Herz, das du oft genug selber kleines, dummes Herz nennst, ist auf immer und ewig 3, mit all seiner Verletzung und all seinem Schmerz und all seiner Sehnsucht und all seinen Scherben und all seinen Spuren und all seinen Narben und all seinem Alles. Und dann denkst du noch, dass das eigentlich gar nicht stimmen kann mit dem Dreisein, denn dafür ist das viel zu viel, was es da mit sich rumträgt. Vielleicht solltest du also erst mal aufhören, es klein und dumm zu nennen, denn auch das ist Teil des (Innen-)Selbstwertes.

Häng dein Herz an eine wackelnde Welt
Und dann wunderst du dich, dass es runterfällt

Häng dich an
Nichts oder alles oder nichts oder alles
Nichts oder alles oder nichts oder alles
Nichts oder alles oder nichts

Oder an die Freude!

(Judith Holofernes – Oder an die Freude)

Katja, letzteres versuchend

Wertlosbude

Und dann sitzt du wieder mal da, die Finger auf der Tastatur, den Kopf und das Herz übervoll und dir fehlen – auch das wieder einmal – die Worte, um das auszudrücken, was in dir vorgeht.

„Ich bin wieder da.“ fängst du also hilflos an und musst dann irgendwie lachen, weil es stimmt und doch auch nicht. Du bist wieder da, zumindest physisch schon seit einer ganzen Woche, auch wenn dein Kopf und viel mehr noch dein Herz, immer noch irgendwo zwischen Sand und Wind und Sonne und Wellen hängen und die Zehen immer noch nach dem warmen Sand tasten.

„Ich bin wieder da.“ das würdest du so gerne in anderem Zusammenhang sagen oder vielleicht stattdessen auch „ich bin wieder ich“. Diese Klarheit, die sich am Meer eingestellt hat, die dir so deutlich gezeigt hat, wie du dich fühlst – fühlen kannst -, wenn du du bist. Wie du dich fühlen kannst, wenn du _ganz_ bist und ausnahmsweise mal nicht innerlich zerrissen und von Selbsthass zerfressen.

Seit Tagen kreist dein Kopf um Wert. Schätzung. Los. Selbst. Liebens. Darum, wie die alle bei dir zusammenhängen und was da gerade in dir passiert. Fehlt das eine, steigt das andere. Du denkst darüber nach, wie das mit dem Würdigen ist, wenn du selber deine Würde dauernd aufgibst.

Und dann kaufst du dir Blumen. Für die Selbstwertschätzung. Und weil du gerade das Gefühl hast, bei dir selber einiges wiedergutmachen zu müssen.

Verworren und klar. Strafend und Schützend. Tastend und auftretend. Traurig ohne Gegenpol.

Katja

Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!

Da ist _eigentlich_ gerade dieses dringende Bedürfnis, Gedanken aufzuschreiben und festzuhalten, so lange ich auf’s Meer gucken und mit nackten Füßen durch den Sand laufen und _genau so_ denken und fühlen kann, wie ich es gerade tue, aber dann sitze ich vor dem blinkenden Cursor und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Ich bin gerade so eins mit mir, wie ich es schon verdammt lange nicht mehr war und ich denke so Dinge wie „ich bin (mir) wert, jetzt besser darauf zu achten, Dinge, die mir nicht gut tun, nicht mehr ganz so dicht an mich heranzulassen“. Das hier, mit dem Sand zwischen den Zehen und dem Salz auf den Lippen bin ich, ist die Version von mir, der ich selber am nähesten bin. Das Gefühl, mir selber fremd zu sein und neben mir zu stehen, das mich die letzten Monate so geplagt hat, ist gerade dem Gefühl endlich wieder mal ich zu sein, gewichen.

Vor der Abreise bin ich auf der Suche nach einem leeren Notizbuch – um möglicherweise am Meer ein paar Gedanken reinzukritzeln (was ich aber gar nicht getan habe) – auf ein teilweise gefülltes Notizbuch gestoßen und beim Durchblättern dachte ich, dass ich das unbedingt mitnehmen sollte, weil ich ein paar der Gedanken, schon so lange wieder vergessen hatte und sie aber dringend wieder einmal lesen und darauf rumdenken sollte. Einen, vielleicht den Wichtigsten – neben jenem im Titel* – ist, habe ich, da bin ich nicht mehr ganz sicher entweder nach einem Telefonat mit dem besten Freund oder einer Therapiesitzung notiert und er lautet

„Illusionen können mich niemals glücklich machen, weil ich dann alles Sehen und Wahrnehmen verleugnen müsste.“

und als ich den wiederentdeckt habe, musste ich kräftig schlucken, denn genau das beschäftigt mich gerade so sehr. Was ist wahr? Was ist Illusion? Was Projektion?

Ich will endlich aufhören, mehr zu sehen als da ist, will genau(er) hingucken und ohne „aber vielleicht“ oder „aber eigentlich“ (be-)werten und sortieren. Sehen und Wahrnehmen – eigentlich ist es genau das, was ich ganz gut kann, uneigentlich ist es genau das, was jetzt schon eine ganze Weile so dramatisch versagt, weil irgendein Teil in mir so hartnäckig die Realität verweigert und stattdessen so sehr mit Wünschen beschäftigt ist. Vielleicht klappt ja jetzt (doch noch) die Versöhnung mit der Realität, dem Realismus, dem geliebten Gehassten, dem verhassten Geliebten. Realismus nicht als Spaß-Glücks-Bremse, sondern als (fester) Boden unter den Füßen. Jenen mit dem Sand zwischen den Zehen, jenen, die auch morgen und übermorgen und überübermorgen nochmal in den kühlen Atlantik tauchen, der so wunderbar warm wird, wenn man sich eine Weile Zeit nimmt, sich an die Wellen um die Füße zu gewöhnen.

Fest auftretend.

Katja

 

[der ein Zitat aus dem wunderbaren Kinderbuch „Sie sind ein schlechter Mensch, Mr. Gum“ von Andy Stanton ist]

Das Meer ist ein guter Ort für Bestandsaufnahmen

Der Tisch ist ein bisschen in sich instabil und wackelt, wenn ich zu engagiert in die Tasten haue, aber ansonsten ist er überaus perfekt, denn ich sitze draußen im Schatten auf der Terrasse, das Meer 6 Etagen unter mir, aber direkt vor meiner Nase. Das Tosen der Wellen ist deutlich und fast so laut wie am Strand zu hören und mit den Windstößen – obwohl es heute im Vergleich zu den letzten Tagen deutlich windstiller ist – dringen leise die „Cerveza, Coca Cola y Agua“-Wortfetzen der mobilen Händler mit ihren großen eisgefüllten und auf Sackkarren festgezurrten Kühlboxen zu mir hinauf.

Vor 15 Minuten saß ich selber noch direkt 2 Meter von der feuchten Linie entfernt, die die Gischt der auslaufenden Wellen auf dem Sand hinterlässt, aber da ich meinem linken Arm dabei zusehen konnte, wie er trotz mehrfachen Eincremens mit Lichtschutzfaktor 30 immer roter wurde, bin ich lieber zurück auf die schattige Terrasse geflüchtet und der frische Kaffee, rechts vom Laptop auf dem Wackeltisch, macht mich gerade überaus zufrieden – auch wenn das Meer so ein paar Meter weiter entfernt ist.

Ich bin in meinem geliebten Spanien, im geliebten Cadiz, am geliebten Atlantik und das Meer macht das, was es so zuverlässig kann. Es brandet, es rauscht, es glitzert in der Sonne, es schäumt, es erhebt sich in massive Wellenberge, überschlägt sich, läuft auf den Strand und dann mit einem leisen Zischen, zieht es sich wieder zurück, um mit Anlauf und der nächsten Welle wieder auf den Strand zuzurennen. Und ich sitze da, gucke, starre, atme, kann nicht weggucken, will keine der Wellen verpassen, weil ich nichts von der Weisheit des Meeres verpassen will. Und langsam merke ich, wie das Tosen, das jetzt so lange und so laut in mir tobt, leiser wird und wie ich nicht nur außen, sondern seit sehr langem endlich auch wieder mal innen, ein bisschen ruhiger werde – und klarer.

Das Meer ist ein guter Ort für Bestandsaufnahmen, denn nach dem üblichen „Ich packe meinen Koffer und nehme mit…“ muss man irgendwann zwischendurch immer mal irgendwo ankommen und auspacken „Ich packe meinen Koffer aus und habe dabei…“. Das gelingt mir nirgendwo so gut wie am Meer und so sitze ich am Strand und statt im mitgeschleppten Buch zu lesen, gucke ich in eine nach der anderen Welle und packe aus. Und zwar das, was wirklich da ist, nicht das, von dem ich mir wünsche, dass es da wäre und das ist auf der einen Seite erschreckend viel und auf der anderen erschreckend wenig. Die wirkt nur häufig so groß, weil das Wünschen so viel Luft hineinpumpt, dass ich viel zu leicht und leider viel zu oft vergesse, dass es nur (m)eine Illusion ist, was ich da in dieser Größe vor mir sehe.

Katja

Salzige Lippen

Heute ist kein guter Tag und ich merke, wie ich versucht bin, direkt schon zu schwänzen und meinen Vorsatz, täglich zu bloggen, nicht umzusetzen, aber ach, es ist ja genau das, was ich will – endlich Schreiben wieder als Normalzustand, auch und gerade, um Gedanken und Gefühle rauszulassen. Also jetzt erst recht. Wenistens 2, 3 Sätze, wenigstens das.

Rausgelassen habe ich heute viele Gefühle in flüssiger Form durch die Augen und ich kann mich nicht erinnern, wann der letzte so dermaßen tränenreiche Tag war. Zu allem Überfluss kamen dann noch ein paar echt blöde Dinge obendrauf, die mich traurig bis wütend bis ratlos in einer Weise zurückgelassen haben, dass ich nicht mal weiß, wie und wo ich anfangen könnte, den Knoten aufzudröseln. Heute nicht mehr, ich versuch’s nicht mal, mir fehlt die Kraft. Und so mache ich stattdessen einfach mit dem weiter, was heute als einziges richtig gut funktioniert und gehe mich gleich in den Schlaf heulen.

I hear them saying
Tomorrow’s just another day
I hear them saying
And it gets better every day
(Madness – Tomorrow is just another day)

 

Katja