kein/mein/ein Weihnachtsmärchen

Als sie ihn kennenlernte, war sie gerade mal 13 und es war keine Liebe auf den ersten Blick, zumindest nicht bei ihr. Nein, er musste sie erst mal umwerben bis es schließlich auch bei ihr funkte. Dem Widerstand der Eltern, seiner wie ihrer aus unterschiedlichen Gründen, zum Trotz, wurden sie ein Paar und heirateten sobald sie volljährig war.
Aber weil das hier kein Märchen ist, lebten sie natürlich nicht glücklich und zufrieden, sondern im Hause ihrer Schwiegereltern, wo ihr Schwiegervater ihr das Leben zur Hölle machte. Zwei Jahre später flüchtete sie von dort und weil sie immer noch jung war, erklärte sie nicht einmal ihrem Mann genau, was genau sie vertrieben hatte.

Die beiden ließen sich scheiden und da keine gemeinsamen Kinder oder sonstige Berührungspunkte verblieben, verloren sie sich komplett aus den Augen.

Ungefähr 10 Jahre später sahen sie sich wieder als er vor ihrer Tür stand. Beruflich habe er in der Gegend zu tun, zufällig sei er vorbeigekommen. Dass seine neue Ehe eigentlich zu Ende war und dass er nicht beruflich in der Gegend war, sondern sie besuchte, um herauszufinden, ob er vielleicht eine Chance hätte, sie zurückzugewinnen das verschwieg er, denn sie hatte einen Säugling auf dem Arm. Als er ging, hätte sie ihm am liebsten ‚Bitte nimm mich mit. Ich bin hier furchtbar unglücklich.‘ hinterhergerufen, doch dazu fehlte ihr der Mut, er war ja schließlich verheiratet.

Wieder etwa 10 Jahre später, er seit nicht so langer Zeit getrennt lebend, sie aus Gründen immer noch in dieser unglücklichen Beziehung fuhr sie zufällig an ihm vorbei, erkannte ihn und heftete sich an seine Fersen. Sie traute sich nicht, ihn anzusprechen, doch sie merkte sich die Adresse, wo sie ihn hatte aussteigen und Dinge aus dem Kofferraum laden gesehen. Sie schrieb ihm, erfand eine Ausrede, wo sie die Adresse her hätte, er rief sie an und sie verabredeten sich.

Dem ersten Treffen folgten weitere. Die Abstände wurden kürzer, die Treffen dauerten länger und sie erzählte nur noch von ihm, ohne dass ihr das überhaupt bewusst war. Lange hatte ich sie nicht so aufgeregt erlebt, lange hatte sie nicht so viel gelacht und so sehr gestrahlt.
Irgendwann wagten sie es, das Thema anzuschneiden, trotz all der Angst, die damit verbunden war und stellten fest, dass das Gefühl, das da (wieder)erwachte auf Gegenseitigkeit beruhte und so wagen sie, 23 Jahre nach der Scheidung ihrer Ehe einen gemeinsamen Neuanfang. Strahlend vor Glück, denn da ist nicht nur diese frische Verliebtheit, sondern auch die gemeinsame Vergangenheit, die alte Vertrautheit, die sie sich manchmal fühlen lässt als hätten sie diese 23 Jahre gar nicht getrennt sondern gemeinsam verbracht.

Sie, das ist meine Lieblingsschwester und das was ihr in den letzten Wochen geschehen ist, ist mein persönliches Weihnachtsmärchen des Jahres. Meine Schwester, für die seit Jahren durch eine Erkrankung jeder Tag aus Schmerzen besteht und der, als wäre das nicht schon genug, zusätzlich das Pech an den Sohlen klebte, zum ersten Mal seit langer langer Zeit wieder so gelöst, fröhlich und glücklich zu erleben ist für mich das größte und wunderbarste Geschenk.

Ihre Geschichte, die mir in den letzten Wochen das Herz so gewärmt hat, erzähle ich hier mit ihrem Einverständnis.

Meinen lieben Lesern ein frohes Weihnachtsfest! 🙂

Katja