hinschauen und nachfragen – eine Bitte

(Entschuldigung, der folgende Text klingt in Teilen pathetisch. Ich brüte jetzt schon eine Weile darüber und bekomme einfach keine bessere Formulierung hin, weil mir das Thema nahe geht und wichtig ist.)

Der November ist für mich der schlimmste Monat des Jahres. Nicht nur, dass es kalt, oft nass und dunkel ist und dass aus dem tollen Herbstbunt schmutziges Grau geworden ist, für mich liegen in dem Monat auch viele Daten, die traurige Erinnerungen heraufbeschwören. Im November hat mich in den letzten mehr als 10 Jahren die Depression fast immer mit voller Wucht erwischt und niedergedrückt.
Ich hab die letzten Wochen in diesem Jahr viel besser überstanden als in den vergangenen, weil ich schon vorher mit der entsprechenden Aufmerksamkeit den Monat verplant habe, mit Dingen, die mir gut tun und mich ausreichend beschäftigen und ablenken. Das kann ich – mittlerweile – weil ich mich und meine Depressionen ausreichend gut kenne und auch einige Tricks, die zumindest manchmal funktionieren, um das Fallen zu vermeiden.

Aber der November ist nur einer der Monate in der dunklen Jahreszeit und eigentlich will ich hier gerade gar nicht über mich sprechen, sondern habe eine Bitte an euch:

Bitte guckt in diesen dunklen Wochen (und gerade rund um die Feiertage, an denen sich Einsamkeit für viele Menschen noch schlimmer anfühlt, als im Rest des Jahres) ein bisschen genauer hin, wie es den Menschen in eurem Umfeld geht.

Und bitte trinkt doch mal einen Tee oder Kaffee mit denen, die über einen längeren Zeitraum niedergeschlagen auf euch wirken – auch, wenn ihr eigentlich in der Vorweihnachtshektik keine Zeit dafür hättet – und fragt mal nach, wie es ihnen geht. Und falls sie ‚gut gut‘ oder ‚muss ja‘ oder ähnliches antworten und das kommt euch nicht ehrlich vor, dann fragt vielleicht noch ein zweites Mal nach, wie es ihnen wirklich geht. Es braucht manchmal viel Mut, um ehrlich zuzugeben, wenn es einem wirklich schlecht geht und die Beharrlichkeit, die echtes Interesse vermittelt, kann da helfen. Falls diese Menschen dann erzählen, hört einfach zu (und falls ihr könnt /es passt / ihr wisst wie, bietet Hilfe an – das ist aber oft längst nicht so wichtig, wie die grundsätzliche Zugewandtheit).

Euch kostet das nicht viel – ein bisschen Zeit, vielleicht einen Kaffee, vor allem aber Aufmerksamkeit, aber – und das mag jetzt sehr pathetisch klingen – es kann unter Umständen ein Leben retten.

Wer die dunklen Schatten einer Depression kennt, der weiss, wie unbezahlbar in manchen Momenten das Gefühl ist, dass es jemanden gibt, der sich dafür interessiert, wie es einem geht. Wie wertvoll es ist, wenn da jemand ist, der zuhört, der einem mal stumm die Hand drückt, der einfach da ist.

Bei fast allen meiner Blogeinträge ist für mich das Aufschreiben das Wichtigste, sei es um den Kopf zu sortieren oder um Erinnerungen zu konservieren. Bei diesem ist es mir wichtig, dass er gelesen wird, dass er wahrgenommen wird. Ich mache das eigentlich nicht und ich komme mir ein bisschen seltsam dabei vor, aber dieses Mal bitte ich euch sehr, den Link zu teilen / zu verbreiten – oder eben auch gerne auf andere Weise mit den Menschen in eurem Umfeld über das Thema zu reden, über das Hingucken und Nachfragen zu reden. Alleine, wenn man über Depressionen offener reden kann, weil sie nicht mehr so ein Tabu in unserer Leistungsgesellschaft sind, ist sehr viel (!) erreicht. Scham treibt in Einsamkeit und oft treibt Einsamkeit in noch größere Verzweiflung und den vermeintlich einzigen Ausweg.

Mir graut davor, auf Twitter oder sonstwo im Netz wieder über einen Suizid zu lesen – was leider zu der Jahreszeit in den letzten Jahren häufig passiert ist. Und das sind nur die wenigen, die das Netz mitbekommt. Und mir graut auch vor der Welle von Trauer und Ohnmacht.

Aber wir sind gar nicht so ohnmächtig! Jetzt ist eine gute (Jahres-)Zeit, um sensibel mit dem Thema umzugehen und ein Auge auf die Menschen im eigenen Umfeld zu haben!

Bitte passt ein bisschen aufeinander auf!

Und natürlich ist das Thema nicht nur jetzt aktuell.

Katja