Gelesen im August 2013

Auch im August sind nicht so viele Bücher vom ungelesenen Stapel auf den gelesenen gewandert. Irgendwie flutscht das diesen Sommer nicht so gut mit mir und den Büchern, Zeit und die Ruhe zum Lesen sind hier beide gerade knapp. Dafür endlich mal wieder das Gefühl, dass das nur gute Bücher gewesen sind und ich nicht die wenige Lesezeit mit Gehtso-Geschichten vertüdelt habe. Besonders das letzte der drei Bücher kann ich sehr (!) empfehlen.

Michael Ende – Momo

Ich weiss gar nicht, wie lange dieses Buch schon auf meiner Liste der Bücher stand, die ich unbedingt irgendwann lesen will. Vermutlich allerspätestens seit ich vor vielen Jahren zum ersten Mal den Film gesehen habe. Jetzt lag es schon ein paar Monate auf meinem ungelesenen Stapel und dann einen ganzen Monat auf meinem Nachttisch – eigentlich sogar auf zweien, denn es war mit in Italien, ohne dass ich auch nur eine Seite im ganzen Urlaub gelesen hätte.

Die Geschichte des kleinen Mädchens, das in einer fiktiven Stadt im alten Amphittheater lebt, sich die coolsten Spiele ausdenken kann und dann fast im Alleingang die Menschen vor den grauen Herren von der Zeitsparkasse rettet und dafür sorgt, dass alle wieder Zeit zum Leben finden, kennt vermutlich fast jeder. Was ich beim Lesen am allererstaunlichsten fand war: das Buch feiert in diesem Jahr schon seinen 40. Geburtstag, aber es ist heute vermutlich noch viel aktueller als es damals war. Mal gerade die Hand hoch, wer von meinen Blogleser*innen nicht mindestens einmal am Tag das Gefühl hat, die Zeit renne ihr bzw. ihm davon.

Bei mir ist das Gefühl, gehetzt zu sein in den letzten Wochen wieder mal ziemlich ausgeprägt und ich habe mich oft im Buch ertappt gefühlt. Insofern war es genau der richtige Zeitpunkt, um es endlich zu lesen, denn es hat mich daran erinnert, dass das beste Mittel gegen (meine) Hektik fast immer ist, mir bewusst Zeit für etwas zu nehmen. Man hat ja irgendwie nie Zeit übrig, man kann sie sich nur für Dinge, die einem am Herzen liegen nehmen!

Dieses gute Grundgefühl, wieder mal daran erinnert zu werden, hat mich dann auch über die Stellen im Buch hinwegsehen lassen, die mir ein bisschen zu missionarisch / esotherisch erscheinen.

Falls ihr Momo nicht kennt: Nehmt euch doch wieder mal Zeit dafür, ein Buch zu lesen. 🙂

Lisa Gardner – Kühles Grab

Annabel Granger ist sieben Jahre als als sie nach Hause kommt und ihre Eltern auf fünf gepackten Koffern sitzen, um in einem neuen Bundesstaat unter einem neuen Namen ein neues Leben zu beginnen und dieses Ritual wiederholt sich ab diesem Zeitpunkt immer wieder. Alle paar Monate lässt die Familie ihr komplettes Leben zurück, ist ständig in Bewegung, ständig auf der Flucht. Nur wovor genau sie flüchten, das verrät ihr Vater ihr nie. Sie weiss nur, dass es darum geht, sie – also Annabel – zu beschützen.

Jahre später als sie längst erwachsen ist und ihre Eltern beide tot sind, wird auf dem verlassenen Gelände einer früheren Psychiatrischen Klinik eine unterirdische Kammer mit sechs mumifizierten Mädchenleichen gefunden. Und dort wird auch ein Medaillon gefunden, in das Annabels Name graviert ist.

Sie meldet sich bei der Polizei und es geht nicht nur darum, die Morde an den Mädchen aufzuklären, die schon über 20 Jahre zurückliegen, sondern auch darum herauszufinden, welche Rolle Annabel, und auch ihre Familie, bei der ganzen Geschichte spielt.

Sehr spannend und das direkt ab dem ersten Kapitel! Ich hab zum ersten Mal seit 2 Monaten ein Buch auf dem Nachttisch gehabt, das mich abends dringend zum Lesen gelockt hat und es fiel mir schwer, es nicht in einem Rutsch durchzulesen. So sehr hat mich das Rätsel um Annabels Familie und die möglichen Verdächtigen und die ganzen Zusammenhänge fasziniert. Und just als ich dachte, ich hätte jetzt alles durchschaut, ergab sich wieder eine neue Wendung – jedesmal. Natürlich ist die Geschichte reichlich schräg und man weiss, dass hier eine Geschichte erzählt wird, aber das ist in sich sehr stimmig und glaubwürdig. Brilliante Verwicklungen und am Ende macht alles Sinn!

Hat mir sehr gefallen. Wenn man Thriller mag, kann man mit dem Buch wenig verkehrt machen und das war sicher nicht mein letzter Gardner!

Kressmann Taylor – Adressat unbekannt

Nur ca. 40 Seiten umfasst die dünne Briefnovelle und das ist kein Wort zu viel und keines zu wenig. Ich hab das Buch aufgeklappt und erst wieder aufschauen können als ich es durchgelesen hatte. 18 Briefe, 1 Telegramm und ich saß nach dem Lesen da, konnte kaum noch schlucken und hatte Gänsehaut am ganzen Körper.

Max und Martin sind die besten Freunde, und besitzen zusammen eine Galerie in San Francisco, als Martin mit seiner Familie 1932 nach Deutschland zurückkehrt, während der jüdische Max in San Francisco bleibt, um die Galerie weiterzuführen. Von den anfänglichen Freundschaftsbeteuerungen Martins ist schon nach wenigen Briefen nichts mehr übrig – er ist in die Partei eingetreten, macht Karriere, kann sich eine Freundschaft mit einem Juden nicht mehr erlauben. Und bald will er das auch gar nicht mehr, denn zweifelt er auch anfangs an Hitler, so verkündet er innerhalb kurzer Zeit dessen Parolen.

„Ihr [Juden] lamentiert immer, aber ihr seid niemals tapfer genug, zurückzuschlagen. Deshalb gibt es Pogrome.“

Dass sein alter Freund Max, sehr wohl tapfer genug für Rache ist, merkt Martin als er seiner früheren Geliebten, die Max Schwester ist, Hilfe verweigert.

Ich kenne keine Geschichte, die so auf den Punkt sitzt, wie diese schon 1938 von einer amerikanischen Werbetexterin geschriebene Novelle. Ich bin jetzt schon ziemlich sicher, dass das eines meiner Top Bücher des Jahres wird und ich glaube, ich habe selten – falls überhaupt – erlebt, dass mich ein so dünnes Büchlein dermaßen lange nachhaltig beschäftigt hat. Lest das bitte. Alle.

Katja