Oh weh.

Ich hab heute so schlimm Meerweh wie lange nicht mehr. Und Windindenhaarenweh und Sandzwischendenzehenweh und Salzaufdenlippenweh. Ich will einen Sturm im Draußen, um den Sturm in mir drin rausbrüllen zu können, ohne dass ihn jemand hört. Ich will so lange in tosende, brausende, gurgelnde Wellen und Gischt starren bis es in mir ruhig wird.

Und dann soll das Meer sich auch beruhigen und ich will den Blick bis zum Horizont heben und in die Ferne gucken, wo das Blau sich bis in die Unendlichkeit erstreckt und ich will die Weite und Freiheit einatmen bis die Schultern automatisch ein Stück nach hinten gehen und der Nacken entspannt und der Mund wieder lächelt – ganz von selbst und ohne dass es sich nach Anstrengung anfühlt.

So ein Tag ist heute.

Katja

~ still ~

 

Dieses Gefühl das aufs Zuviel an Fühlen folgt, wenn da auf einmal gar nichts mehr ist, außer Taubheit, als sei das Fühlen auf einmal nebelverschleiert, wattig, ohne die scharfkantige Konturen die gerade noch so viel Schmerz verursacht haben. Der Kopf wie unter Wasser, aber nicht auf die unangenehme nach Luft japsende Art und auch nicht mehr das Ertrinken im eigenen Tränenmeer, sondern auf jene Art, bei der man freiwillig untertaucht, die Augen schließt und das, was über der Oberfläche tobt, hinter sich lassen kann.
Wenigstens
für
einen
Moment
nichts
als
Stille.

Katja

madeja

So viel im Kopf und schon wieder klappt das nicht, dieses Hinsetzen und drauflos Schreiben bis es raus ist. Zu viele Gedanken auf einmal, zu ungeordnet, wie ein Wollknäuel, das die Katze dreimal quer durch den Raum gejagt hat und bei dem kein Anfang und kein Ende mehr zu finden ist. Wahrscheinlich würde es helfen, die Finger tief einzugraben in dieses Wollgedankenkonglomerat oder sie eben wieder so lange auf die Tastatur zu legen bis das funktioniert, aber das würde auch den Schmerz wieder hochholen, vor dem du schon die ganze Zeit in bunte Farben flüchtest, fast als könntest du in die Motive, die dabei entstehen schlüpfen und ihm entkommen. Aber nur fast. Und nur für eine kurze Weile funktioniert das ja auch wirklich, aber spätestens wenn die Nacht kommt, dreht der Kopf wieder rund und all die Tricks, die normalerweise ganz gut funktionieren, versagen derzeit. Zu viel auf einmal, zu ungeordnet, wie ein Wollknäuel… Moment, zurück, da waren wir doch gerade schon.

Katja

Hmpfngrmbl. (Heute nicht.)

Und dann, unter der Dusche, wenn das Gesicht eh schon mal nass ist, dann hat sich das wenigstens gelohnt, bricht das ganze Elend wieder aus dir heraus, rinnt dir der Schmerz in heißen Tränen über die Wangen und du verstehst wieder mal nicht, was der Auslöser ist, ging doch jetzt tagelang alles gut und es dir mit steigenden Sonnenstunden pro Tag und zunehmender Farbe und Blütenpracht in der Natur auch endlich besser, aber dann kommt dieser eine Gedanke und alles verschwimmt.

Und dann zählst du stumm bis 10. Atmest ein. Atmest aus. Und nochmal von vorn. Drehst das Wasser ab. Trocknest dir das Gesicht ab. Nimmst die Schultern zurück. Und machst weiter.

Again and again and again. Bitte gehen Sie weiter. Es gibt hier nichts zu sehen.

Katja

Tag 44/44

Manchmal stelle ich mir vor, dass jeder Mensch, dem man im Leben begegnet, eine (oder auch mehrere) Seiten im Buch des eigenen Lebens füllt. Manche Seiten sind dicht mit Text in einer unleserlichen Schrift beschrieben und offenbaren ihren Inhalt nur bruchstückhaft. Manche sind spärlich beschrieben, manche voller Poesie. Bei manchen Seiten ist die Schrift verschmiert und das Papier ist aufgeweicht – von den vielen Tränen die darauf gefallen sind. Manche enthalten die Noten eines Musikstücks. Manche Seiten scheinen aus Thermopapier zu sein, erst ganz deutlich erkennbar und präsent, aber nach einer kurzen Weile verblasst die Schrift völlig, als wäre sie nie da gewesen. Manche Seiten sind voller Tintenkleckse, manche voller Tipp-Ex-Spuren. Manche einfarbig, andere leuchten in bunten Farben. Manche rascheln, so dass man meinen könnte, das Meer rauscht.  Und dann gibt es noch ein paar Seiten mit Regenbögen, gefüllt von Menschen, die gleichermaßen Sonne wie Dunkelheit und Tränen ins Leben bringen.

Und manchmal frage ich mich, wie wohl meine Seite im Buch anderer Leben aussehen würde.

Katja

Tag 35/44

Die letzten Tage haben mich wieder mal Demut und Dankbarkeit dafür gelehrt, dass mein Körper meistens ziemlich gut und weitestgehend schmerzfrei funktioniert.

Ich hab’s mit Hochbeetbau, Gartenarbeit und Sport geschafft, meine Rückenmuskulatur so zu überlasten und der Muskel ist so verspannt, dass ich Samstag einen Ausflug mit dem RTW in die Notaufnahme gewonnen habe, weil ich mich vor Schmerzen nicht mehr bewegen konnte und es auch keine Ruheposition mehr gab, die so weit schmerzfrei war, dass ich es mit größeren Mengen IBU hätte aussitzen können.

Heute geht es mir den ersten Tag spürbar besser und ich kann so Dinge wie am Kopf kratzen oder Kaffeetasse hochheben wieder machen, ohne dass ich das Gefühl habe, mir rammt gerade jemand ein Messer in den Rücken. Und damit es voran geht und ich den Fortschritt nicht sofort wieder verdaddele, halte ich hier wohl besser noch ein paar Tage Ruhe. Sitzen und Tippen gehört nämlich noch nicht zu den Dingen, die auch nur halbwegs schmerzfrei funktionieren würden.

Derweil passt gut auf euch auf!

Katja

Tag 31/44

Sich langsam aus einer depressiven Episode rauszukämpfen ist ein bisschen vergleichbar mit dem erwachenden Frühling. Man sieht langsam wieder Sonnenstrahlen, fühlt die Wärme und das Licht. Die Welt um einen herum (und auch in einem drin) wird langsam wieder bunter, das Grau in Grau des Himmels bekommt immer häufiger Wolkenlücken, durch die der blaue Himmel durchscheint. An manchen Tagen ist er ganz klar und knalleblau oder hat nur ein paar einzelne Wölkchen. Überall sprießen kleine Triebe und die ersten Blümchen blühen. Morgens nach dem Aufstehen, wird der Nebel jeden Tag ein bisschen lichter und weniger dicht. Die ersten Vögel kommen wieder aus dem Süden zurück und zwitschern am Morgen.

Und dann gibt es diese Rückschläge. Aus heiterem Himmel (sogar im Wortsinne) ziehen sich dicke graue Wolken zusammen. Es schüttet in Strömen, manchmal schlägt einem sogar wieder ungemütlicher Schneeregen ins Gesicht. Aber das hält nicht so lange an. Ein paar Stunden, höchstens ein paar Tage, dann ist der Spuk wieder vorbei. Der Himmel ist wieder blau, die Sonne wärmt das Gesicht.

Und dann frage ich mich, ob es Zufall ist, dass es mir jedes Jahr im Frühling wieder deutlich besser geht. Ob nicht nur die Welt da draußen diesen Jahreszeiten unterliegt, sondern die auch in mir drinnen irgendwie stattfinden. Dann bin ich eindeutig ein Frühlingsmädchen, ein Sommerkind – und froh, das beides gerade noch vor mir liegt.

Katja