Eat:
Vor unserer Abreise aus Rom nannte er mir noch den Namen einer Pizzeria, die ich unbedingt ausprobieren müsse, weil es dort die beste Pizza von ganz Neapel gibt. Angesichts der Tatsache, dass die beste Pizza Italiens aus Neapel stammt und die beste Pizza der Welt aus Italien, fand ich diese Aussicht wahnsinnig aufregend, denn es bedeutet, dass es in dieser Pizzeria …, ich bin fast zu abergläubisch, es auszusprechen, … die beste Pizza der Welt gibt. Giovanni nannte mir den Namen des Lokals mit solchem Nachdruck, dass ich fast das Gefühl hatte, in einen Geheimbund eingeführt zu werden. Er drückte mir die Adresse in die Hand und sagte in feierlichstem und vertraulichstem Ton: „Bitte geh in diese Pizzeria und bestell die Pizza Margherita mit Extra-Mozzarella. Solltest du es nicht tun, dann lüg mich hinterher bitte an und sag mir, du wärst dort gewesen.“
So sind Sofie und ich in der Pizzeria Da Michele gelandet, und diese Teigfladen bringen uns um den Verstand. Ich bin tatsächlich so hin und weg von meiner Pizza, dass ich mir einbilde, meine Pizza erwidere meine Gefühle. Ich habe eine alles verschlingende Beziehung zu dieser Pizza. Sofie ist mittlerweile über der ihren in Tränen ausgebrochen, sie macht gerade eine metaphysische Krise durch und fragt mich in beschwörendem Ton: „Warum versuchen sie überhaupt noch, in Stockholm Pizza zu backen? Ja, warum essen wir überhaupt noch irgendetwas in Stockholm?“
(Elisabeth Gilbert, Eat Pray Love, Seite 118, 119)
Pray:
Wenn man das Glück verfolgt wie einen Ganoven, wird es sich am Ende wie ein solcher verhalten, wird stets eine Stadt voraus sein, Namen und Haarfarbe wechseln, um einem zu entwischen, sich zur Hintertür des Motels hinausschleichen, während man gerade mit dem neuesten Suchbefehl durch die Lobby poltert, und – um einen zu foppen – nur eine glühende Zigarette im Aschenbecher zurücklassen. Irgendwann aber muss man damit aufhören, weil das Glück einfach nicht verweilt. Muss man zugeben, dass man es nicht einholen kann. Nicht einholen soll. Irgendwann muss man, wie Richard mir immer wieder beteuert, loslassen und stillsitzen und zulassen, dass Glück und Zufriedenheit zu einem kommen.
Loszulassen ist natürlich ein beängstigendes Unterfangen für all jene, die glauben, dass die Erde sich nur dreht, weil sie oben eine Kurbel hat, die von uns selbst höchstpersönlich betätigt wird, und dass, wenn wir diese Kurbel auch nur einen Augenblick losließen, tja, …das Ende des Universums hereinbräche.
(Elisabeth Gilbert, Eat Pray Love, Seite 228)
Love:
An meinem neunten Schweigetag meditierte ich bei Sonnenuntergang am Strand und erhob mich erst nach Mitternacht wieder. „Das ist deine Chance“, sagte ich zu meinem Geist. „Zeig mir alles, was dich bedrückt. Ich will alles sehen. Halt nichts zurück.“ Nacheinander hoben all die traurigen Gedanken und Erinnerungen die Hand, standen auf und sagten ihre Namen. Ich betrachtete jeden Gedanken, jeden Kummer, nahm ihn an und spürte (ohne mich davor schützen zu wollen) seinen furchtbaren Schmerz. Dann sagte ich zum ersten Kummer: „Es ist gut. Ich liebe dich. Ich akzeptiere dich. Komm in mein Herz. Es ist vorbei.“ Und tatsächlich spürte ich, wie dieser Kummer (als sei er ein lebendiges Wesen) in mein Herz eintrat (als sei dieses ein realer Raum). Dann rief ich: „Der Nächste, bitte!“ Und der nächste Kummer erschien. Ich sah ihn mir an, spürte ihn, segnete ihn und lud auch ihn in mein Herz ein. Und so verfuhr ich mit allen schmerzlichen Gedanken, die ich jemals gehabt hatte, bis keiner mehr übrig war.
Dann sagte ich zu meinem Geist: „Und nun zeig mir deinen Zorn.“ Eines nach dem anderen traten sämtliche Ärgernisse meines Lebens vor mich hin, machten sich bekannt. Jede Ungerechtigkeit, jeder Betrug, jeder Verlust, jeglicher Zorn. Ich empfing sie alle, einen nach dem anderen, und akzeptierte sie. Empfand jeden Ärger in seiner Gänze, als ob er mich zum ersten Mal heimsuchte, und sagte dann: „Komm in mein Herz. Hier kannst du ausruhen. Hier bist du in Sicherheit. Es ist vorbei. Ich liebe dich.“ Das alles zog sich über Stunden hin und ich durchlebte ein Wechselbad der Gefühle, empfand einen erschütternden Moment lang ein jedes Ärgernis und im Anschluss daran die Gelassenheit, sobald die Wut, die wie durch eine Tür in mein Herz getreten war, sich niederlegte, an ihre Brüder schmiegte und das Kämpfen aufgab.
Schließlich kam der schwierigste Teil. „Zeig mir deine Scham“, bat ich meinen Geist. Mein Gott, welche Schrecken ich da zu Gesicht bekam. Eine erbärmliche Prozession all meiner Schwächen, Lügen, meines Egoismus und meiner Eifersucht. Aber ich fasste sie ins Auge. „Zeig mir das Schlimmste“, bat ich. Als ich diese beschämenden Gefühle dann in mein Herz einlud, zögerte jedes von ihnen an der Schwelle und sprach: „Nein – du willst mich bestimmt nich da drinnen haben … Weisst du denn nicht, was ich getan habe?“ Und ich entgegnete: „Ich will dich. Auch dich will ich. Ich heiße dich sogar ausdrücklich willkommen. Es ist gut. Dir ist vergeben. Du kannst dich ausruhen. Es ist vorbei.“
Danach fühlte ich mich leer. Nichts kämpfte mehr in mir.
(Elisabeth Gilbert, Eat Pray Love, Seite 474, 475)
Zugegebenermaßen ist das dieses Mal nicht kurz zitiert, sondern ziemlich ausgiebig und selbst die Beschränkung auf diese paar Textstellen fiel mir nicht so leicht, weil da noch einige Haftmarker mehr an zitier- oder merkwürdigen Stellen im Buch kleben.
Nach einer schweren Krise reiste Elisabeth Gilbert für je 4 Monate nach Italien, Indien und Indonesien. Eat Pray Love ist ihr autobiografischer Roman über diese Reise und über das Suchen und Finden.
In den italienischen Teil der Reise hatte ich mich sofort verliebt, irgendwie muss man das ja auch bei der Beschreibung von Pizza, die die eigenen Gefühle erwidert. Und nach so viel ausschweifendem Genuss – und auch weil ich den Film vor einiger Zeit schon gesehen hatte – war mir ein bisschen flau als Liz im indischen Ashram ankam und auch vor der Zeit in Indonesien.
Ich fand es an vielen Stellen nicht einfach, ohne den Aufschrei, dass mir das jetzt aber doch zu esotherisch ist, weiterzulesen, aber irgendwann habe ich angefangen, diese Stellen einfach hinzunehmen, anzunehmen. Das ist Elisabeth Gilberts Buch, Geschichte, Glaube, Empfindung und ich muss mir das weder zu eigen machen, noch es verurteilen. Ich kann das einfach als ihres nehmen und lesen.
Und dann standen mir diese Szenen nicht mehr im Weg beim Lesen und ab diesem Zeitpunkt habe ich auch diese beiden Buchteile als ziemlich wertvoll empfunden, weil da nämlich ganz viel über Selbstliebe und über Selbstanname und darüber, gut für sich selber zu sorgen, drinsteckt.
Die Methoden, wie das Liz gelingt, sind sicher nicht die meinen. Aber diese grundsätzliche Idee dahinter, Teile seiner selbst nicht zu bekämpfen, sondern anzunehmen und sich selbst zu mögen (was mir viel leichter über die Lippen oder Tastatur kommt als dieser noch größere Schritt sich selbst zu lieben) anstatt sich mit Selbstzweifeln und -vorwürfen und -zerfleischung immer selber runter zu machen – das ist ja schon eines meiner Themen, meiner Aufgaben. Dass das auf Loslassen und Annehmen hinausläuft ist keine neue Erkenntnis, aber es hatte für mich viel Tröstliches darüber zu lesen, dass das Gelingen kann und dass alles ganz anders werden kann und diese innere Balance nicht unerreichbar sein muss.
Katja
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