Eine meiner Mitpatientinnen, die ein paar Wochen vor mir entlassen wurde, und mit der ich in Kontakt stehe, erzählte mir, dass die Klinik ihr leider gar nichts gebracht hätte. Sie hängt nach wie vor in ihren Mustern und – in ihrer Wahrnehmung – ist das einzig Gute, was sie mitgenommen hat, das Malen. Man konnte das in der Klinikzeit schon ein bisschen ahnen, sie hat sich abgekämpft und abgekämpft und konnte sich nicht einlassen.
Vor ein paar Tagen als wir uns schrieben, fragte sie mich, nachdem ich erzählt hatte, dass mir die Zeit wahnsinnig viel gebracht hat, was genau sich für mich geändert hätte, was genau ich mitgenommen hätte und bat mich, meine Erfahrungen mit ihr zu teilen.
Ich schrieb ihr einen ziemlich langen Text und hab da auch wieder gemerkt, wie gut es für mich ist, mir das selber immer mal bewusst zu machen, was genau sich alles verändert hat.
Nachdem ich euch daran habe teilhaben lassen, was in der Klinik so passiert ist und wie das abläuft, ist es für euch vielleicht auch interessant zu lesen, wie das ganze denn nun eigentlich wirkt und was sich ändert. Ich paste euch mal meine Antwort an meine Mitpatientin hier rein und zensiere nur die Namen.
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Ein bisschen schwieriger ist die Frage, was da genau von der Klinik bei mir gewirkt hat und ich mitgenommen habe. Das für mich wichtigste war, glaube ich, das Modell mit den Bedürfnis-Schiebereglern von Herrn X. Eines meiner großen Probleme ist ja, dass ich viele Dinge intellektuell längst verstanden habe, sich aber trotzdem nichts an meinem Fühlen ändert. Ich hab das immer als große Schere zwischen Kopf und Gefühl empfunden. Da hilft es mir sehr, drauf zu gucken, welches Bedürfnis dahinter steckt, dass ich auf bestimmte Weise fühle. UND, dass ich dann gezielt etwas für den ‚bedürftigen‘ Anteil von mir tun kann. Ich fürchte, das klingt sehr verworren. Ein Beispiel, das es vielleicht deutlicher macht: wenn ein Freund mir eine Verabredung wieder absagt, dann weiß ich jetzt, dass ich deswegen traurig bin, weil mein Bindungsregler unten ist. Statt in der Traurigkeit hängen zu bleiben, versuche ich also den Regler auf anderem Weg wieder hochzubekommen, zB indem ich dann mit einem anderen Freund was unternehme. Oder ich mache zumindest etwas, was mich davon ablenkt und mir gut tut, damit es mir insgesamt besser geht. Malen gehört da eben inzwischen dazu – da weiß ich, das hilft.
Und auch dazu passend ist, dass ich in der Klinik nicht nur gelernt habe, meine Gefühle besser zu verstehen, sondern auch, meine Bedürfnisse besser zu spüren UND mir zuzugestehen, sie zu haben und sie mir zu erfüllen. Das ist witzigerweise ganz am Anfang in der KBT (Bewegungstherapie) in Gang gekommen als es mir mal bei einer Entspannungsübung total übel ging, ich aber nicht rausgehen wollte, weil ich euch nicht stören wollte. Und dann haben mir hinterher alle versichert, es hätte gar nicht gestört, wenn ich leise raus wäre und vor allem, das wäre doch wichtiger gewesen, da auf mich zu achten, statt das auszuhalten, wenn es doch so schlimm für mich war. Das war für mich echt ein Schlüsselmoment in den 12 Wochen, weil ich tatsächlich voller innerer Verbote bin, wenn es um mich selber geht und darum, mich ernst und wichtig zu nehmen. Inzwischen überlege ich in so Momenten oft, wie ich da mit einer Freundin umgehen würde und ob ich zu ihr ebenso streng wäre, wie ich es mit mir selber bin, das hilft mir dann sehr bei der Einschätzung des ‚das hier darf ich mir erlauben‘ oder ‚das hier muss ich nicht aushalten‘.
Ich glaube, das sind so die Kerndinge. Dann aber eben auch, dass ich tatsächlich gelernt habe, gezielt zu entspannen. Ich hab ja seit 15 Jahren schlimme Schlafstörungen und hab jetzt zum einen endlich eine Medikation, die da hilft (auch aus der Klinik, mit Dr. Y wochenlang in jeder SoMa (Somatische Visite) an der Dosierung geschraubt), aber noch besser als die Tabletten hilft, dass ich jeden Abend, mit Qi Gong oder autogenem Training runterkomme.
Ich hab am Ende der 12 Wochen für die drei von der Pflege, die Kreativtherapeuten und meine Therapeutin Postkarten mit Aquarellfarben bemalt und mir tatsächlich gezielt bei jedem überlegt, was ich von demjenigen gelernt habe und mit nach Hause nehme und das je auf die Karte geschrieben. Das war für mich irgendwie total gut, da genau hinzuspüren, was sich denn wirklich alles für mich geändert hat und was mich vorangebracht hat. Tatsächlich ist es ein Puzzle aus vielen kleinen Teilen, die ich da für mich rausgezogen und mitgenommen habe.
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Katja