Komm da runter!

„Komm da runter, du fällst!“ hallte es gestern irgendwann durch’s geöffnete Fenster, durch das einen Augenblick vorher noch ausgelassenes Kinderlachen zu hören war.

„Komm da runter, du fällst!“ hallt es seitdem dumpf in meinem Kopf. Immer und immer wieder und es ist die Stimme meiner Mutter, die ich nicht wieder zum Schweigen bekomme. Schlagartig übel geworden ist mir gestern als ich den Spruch von draußen aufgeschnappt habe, weil er so vertraute Erinnerungen, mit so schalem Geschmack hochholte von der Kleinen, die nirgendwo hochklettern, nirgendwo drüberspringen, nirgendwo draufbalancieren, nirgendwo wasauchimmer sollte, weil sie’s doch nicht kann, weil’s doch zu gefährlich ist, weil sie doch hinfallen könnte, sich wehtun könnte, sich wasauchimmer könnte. Tu dies nicht. Mach das nicht. Du kannst das nicht. Du schaffst das nicht. Lass es bleiben.

Da ist diese Erwachsene in mir, die inzwischen weiß, wieso sie viele Ängste hat, wieso sie sich selber so wenig zutraut, so wenig auf sich selber vertraut, auf ihre Fähigkeiten und die das gerade, wo so viele Veränderungen passieren, quasi jeden Tag ausbaden muss, jeden Tag das „du schaffst das nicht“ runterschlucken muss und die sich oft genug daran verschluckt und sich dann am liebsten unter einem Stein verkriechen würde, irgendwohin, wo sie nichts schaffen muss, nicht versagen kann, nicht hinfallen kann.

Das ist die, die sich gestern sehr zusammenreißen musste, nicht das Fenster aufzureißen und mit voller Stimmgewalt „Mach weiter! Trau dich! Du kannst das!“ rauszubrüllen, um die Kleine mit dem fröhlichen Lachen zu ermutigen. Die sich zusammenreißen musste, nicht die Erwachsene vorm Fenster anzubrüllen, weil die gar nicht weiß, was sie der Kleinen antut, wenn sie ihr so viel Angst vorm Klettern – vorm Leben – mit auf den Weg gibt. Aber da ist natürlich auch noch die interne Kontrollinstanz, die weiß, dass das Brüllen nicht dorthin gehört, dass die Wut an eine ganz andere Stelle gehört. Und dann ist es innendrin gleichzeitig laut, weil da auf einmal diese Wut ist und das ist gut und da ist es außerdem zur gleichen Zeit ganz leise, damit die Erkenntnis, dass die ganze Angst und das Selbst*miss*trauen von außen kommen und dass es eigentlich keinen vernünftigen Grund dafür gibt, sich nicht sofort wieder aus dem Staub machen.

Katja

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Über starke Schwäche und schwache Stärke

Und dann bist du an dem Punkt, wo du merkst, dass du gerade mal ganz bewusst einen bestimmten Schmerz anschauen solltest, statt ihn wegzuschieben und zu verdrängen, wo du anfangen solltest, umzudenken. Wenn du jemandem einen Platz in deinem Herzen gibst, ist das ein Privileg für denjenigen. Du willst dich nicht mehr als die kleine, naive, vertrauensselige TreuDOOFE fühlen, die zu blöd ist, eine Mauer um ihr Herz zu bauen und deswegen alle direkt so nah an sich ranlässt. Du willst dich nicht mehr selber für diese Eigenschaft hassen, wenn du wieder mal eins auf die Nase bekommst, sondern du willst dich endlich als die annehmen und mögen, die du bist und diese Eigenschaft, immer wieder vertrauen zu _können_ und Menschen nah an dich ranlassen zu _können_, als eine deiner Stärken und Fähigkeiten zu sehen. Wenn du jemandem einen Platz in deinem Herzen gewährst, ist das eine Einladung für Freundschaft und Nähe. Aber du musst endlich anfangen, die Einladung an ein gewisses Benehmen zu knüpfen. Es ist nicht nötig, an der Tür die Schuhe auszuziehen oder reglos in Sonntagsklamotten am Tisch zu sitzen. Es gibt aber auch keinen Freibrief, mit schmutzigen Schuhen auf dem Sofa rumzuhopsen oder wie ein volltrunkener Elefant im Porzellanladen, Scherben anzurichten. Und das ist der Punkt, an dem du wirklich endlich lernen musst/solltest auf dich selber aufzupassen und Menschen, die sich daneben benehmen auch wieder rauszuwerfen. Keine Türsteher, aber wenigstens Rausschmeißer. Und dafür ist es vermutlich ganz gut, gelegentlich mal einen Schmerz genauer zu betrachten und zuzulassen.

Katja

Bitte nicht werfen!

Manchmal braucht es nicht viel, nur ein paar wenige Worte, einen Satz und dann merkst du, wie zerbrechlich all diese neuen Teile von dir noch sind, alles was irgendwie ein Selbst im Namen trägt und auf Sicherheit oder Vertrauen endet und ausnahmsweise mal nicht auf Hass, und dass sie zwar mittlerweile manchmal und manchmal gar nicht mehr so selten, Teile von dir sind, aber noch lange keine _Bestand_teile, die auch heftigerem Wind oder Kratzern standhalten und im Bestand bleiben. Stattdessen verflüchtigen sich die Sicherheit und das Vertrauen immer noch bei der kleinsten Erschütterung wie ein frischer leichter Sommerduft, dessen Kopfnote direkt verfliegt und zurück bleibt für eine Weile nur ein Hauch, eine Idee, ein vager Schimmer. Und Tränen.

Katja

Ein Versuch: Die Sätze meiner Kindheit (gesprochener Blogtext)

Bitte seid gnädig mit mir. Ich hasse meine Stimme, aber ich glaube, der Text braucht die gesprochene Form. Und mich an so etwas ranzuwagen ist ja auch eines der Dinge, vor denen ich nicht mehr zurückschrecken möchte.)

 

Die Sätze meiner Kindheit hallten laut:
Spiel nicht mit dem Hund, der beißt.
Kletter da nicht hoch, das reißt.
Guck nicht in das Licht, das gleißt.
Das kannst du nicht, du weißt
doch ganz genau, du bist zu dumm.
Jetzt steh mal nicht im Weg herum.

Die Sätze meiner Kindheit hallten laut.
Ich hab mich nie sehr viel getraut.

Ich wurde älter, vielleicht weiser?
Besagte Sätze wurden leiser.
Und doch heul ich mich manchmal heiser,
denn obwohl ich jetzt und hier das System
meiner Mutter durchschaue,
es bleibt dabei, dass ich mich nicht viel traue.
Hab Angst vor diesem, Angst vor jenem.
Muss immer grübeln. Komm nicht über’s Sehnen
hinaus und an den Punkt des Machens,
dauernd weinen, statt mich lachend_s
ins Leben zu stürzen.

Die Sätze meiner Kindheit hallten laut.
Ich hab nie auf mich selbst vertraut.

Nie gedacht, dass ich gewinn‘.
Nie gewusst, dass ich wer bin.
Nur auf der Suche nach dem Sinn.
Nie den Kopf hoch und das Kinn
nach vorn gereckt und mutig los.
Mich klein gefühlt und niemals groß.

Die Sätze meiner Kindheit hallten laut.
Das Leben nur aus Angst gebaut.

Ich will so vieles, kann doch nicht.
Bleib im Schatten, scheu das Licht.
Die Angst versperrt mir stets die Sicht
auf das was ‚echtes‘ Leben ausmacht.
Wie man aus der Starre aufwacht.
Aufstehn und dann einfach starten
nicht mehr grübeln, nicht mehr warten,
auf den perfekten Plan im Sinn
das haut ja doch dann nie so hin.

Die Sätze meiner Kindheit hallten laut.
So viel Zeit, so viel Leben versaut.

Ich sag nicht mehr ’nein‘, wenn ich ‚ja‘ sagen will.
Verbiet‘ mir das Grübeln, ach Kopf sei mal still.
Ich mach jetzt! Ich lach jetzt! Will mir selber vergeben
meine Fehler und Macken. Ich will endlich leben.

Leben.
Mein Leben.
Mein Leben leben.
Mein Leben erleben.

Die Sätze meiner Kindheit hallten laut.
Ab jetzt wird hier auf’s Selbst vertraut.

(Hoffentlich.)

Katja

Na und ob!

Das Ausmisten der Schränke, dem ich mich hier gerade endlich stelle, sorgt auch dafür, dass in meinem Inneren viel in Aufruhr versetzt wird. Wahrscheinlich geht das gar nicht anders, wenn man ein Mensch ist, der sehr an Dingen hängt, der Erinnerungsstücke nicht gut loslassen kann und irgendwie fürchtet, mit dem Loslassen der materiellen Dinge, auch die Erinnerungen zu verlieren. Natürlich weiss ich, dass letzteres Blödsinn ist und dass ich diese ganzen Sachen nicht brauche, um mich zu erinnern, und trotzdem ist da dieses seltsame Gefühl.

Es sind aber nicht nur diese Gedanken, die aufgewirbelt werden, auch ein paar Erkenntnisse über mich rasten wieder ein, wenn ich mich selber dauernd frage, weswegen es mir immer so schwer fällt, Anfänge zu finden, weswegen ich mir so oft selber im Weg stehe. Das auch alles, weil ich endlich wieder begonnen habe, mit jenem Buch zu arbeiten, über das ich hier ausgiebig schrieb, das bringt auch wieder viel in Bewegung.

Die Antwort ist wie (fast) immer: Angst. Hier konkreter: die Angst, Fehler zu machen.

Tief in mir ist irgendwo verankert, dass ich keine Fehler machen darf. Denn – Fehler haben direkte negative Konsequenzen. Missachtung. Missbilligung. Misshandlung.

Und noch einen Schritt früher: Das kannst du nicht. Mach das nicht, das wird doch eh nichts. Lass das lieber bleiben. Lass das, du kannst das doch gar nicht. Jetzt glaub doch nicht, du könntest das. Mach das nicht, sonst passiert x. Wenn du das machst, passiert x.

Diese Stimme in meinem Kopf, die mir mein Leben lang einredet, dass ich zu unfähig und zu blöd, zu klein, zu dumm, zu schwach, zu ungeschickt, zu . zu . zu . bin, bekommt gerade beim Nachforschen und der Auseinandersetzung – warum zur Hölle ich mir so wenig zutraue / mich so wenig traue – eine andere Stimmlage, wird zu der Stimme, die mir all diese Sätze in meiner Kindheit ganz real eingeredet hat, anstatt mir irgendwann mal Mut zu machen oder mich aufzumuntern.

Zum ersten Mal merke ich den Ursprung und dass der vielleicht gar nicht unbedingt aus meiner Erfahrung mit mir rührt (ey so schlecht bin ich doch gar nicht, verflucht! – bei allen Dingen, die ich ernsthaft angepackt habe, eher das Gegenteil, Klassenbeste, dann bestes Ausbildungsergebnis, dann bestes Jahrgangsabi, dann Studienstiftungs-Stipendium, dann gleich 3 Profs, die mir Hiwistellen angeboten haben – zumindest diesen intellektuellen Shice habe ich doch immer einigermaßen hinbekommen), sondern dass das immer der Nachhall jener Sätze ist, die ich in meiner Kindheit so oft gehört habe.

Das kannst du nicht.

Und ich habe das immer ungeprüft geglaubt, nur auf das geguckt, was ich nicht auf Anhieb hinbekommen habe und mich damit voll bestätigt gefühlt.

Ich glaube, jene Phase in meinem Leben, in der ich mir ziemlich viel selber zugetraut habe war, nachdem ich das Rauchen aufgegeben hatte. Damit hatte ich etwas geschafft, von dem ich 20 Jahre lang annahm, es nicht zu können, das gab mir Zuversicht in mich selber wie nichts zuvor, an das ich mich erinnern könnte. Damals war mein ‚Mantra‘: Ey, du hast es geschafft, nicht mehr zu rauchen. Dann kannst du doch auch alles andere!

Da möchte ich gerne wieder hin. Zuversicht, ein bisschen mehr Zutrauen in mich und in meine Fähigkeiten.

Also. Ab jetzt der Versuch, jedem inneren „das kannst du doch eh nicht“ ein „keine Angst, das klappt schon“ entgegenzuhalten. Für jedes „das wird doch eh nichts“ ein „du kannst das“ und für jede Angst davor, einen Fehler zu machen, die Beruhigung, dass selbst wenn, die Welt nicht untergeht.

Ufff. Mal sehen, ob das klappt.

Katja

 

 

Ich habe jetzt ein sehr schönes Notizbüchlein oder ausführliches Gedankengeschwurbel über Umdenk- und -lernversuche

Ich musste gerade erst mal selber suchen – es ist schon 5 Monate her, dass ich hier darüber bloggte, dass ich versuchen will, in Zukunft umzudenken. Umzudenken in dem Sinne, dass ich aufhören möchte, mich selber abzuwerten und fertig zu machen, dass ich nicht mehr so streng und unnachgiebig mir gebenüber sein möchte, sondern freundlicher mit mir umgehen, um zu versuchen, ein positiveres Selbstbild zu bekommen. Mich irgendwie selber anzunehmen, mehr Selbstwert, mehr Selbstbewusstsein, statt Selbstablehnung und Selbsthass.

Seit jenem Artikel im April geht es zumindest dahingehend voran, dass ich häufig wahrnehme, wenn ich in dieser schädlichen Art mit mir umgehe. Dass ich merke, wenn da eine innere Stimme mir Dinge der Art „Nix kannst du! Du bist einfach zu blöd für alles, bekommst nichts auf die Reihe.“ vorhält. Immerhin ein Anfang.

Vor ein paar Wochen mailte mir jemand den Link zu einem Online-Training, in dem es darum geht, die Selbstachtung zu stärken. Das Training ist ganz simpel: Es werden ganz knapp 10 Situationen dargestellt zu denen es je 4 Antwortmöglichkeiten gibt, von denen 3 falsches, selbstschädliches Denken enthalten und eine, bei der man freundlich und zugewandt mit sich selber umgeht. Die jeweils „richtige“ Antwort ist offensichtlich und natürlich habe ich im ersten Anlauf alle Fragen richtig beantwortet. Nur mit der Wahrheit hatte das nichts zu tun. Denn ich weiss zwar rein theoretisch, wie ich mit mir / wie Mensch mit sich umgehen sollte, aber es gelingt mir einfach nicht, das auch emotional umzusetzen.

Ein Beispiel: Die erste Situation „Dir passiert ein Missgeschick.“ Natürlich ist die richtige Antwort „Dumm gelaufen. Schade, aber das kann jedem passieren.“ und während ich das anklicke sagt die Stimme in meinem Kopf „Haha! Du weisst aber schon, dass das nicht stimmt? Dass nur du so blöd bist? Mach nur, belüg dich nur selber. Aber du weisst doch genau, dass du eigentlich „Typisch. Ich habe wieder mal alles vermasselt.“ anklicken müsstest. Denn das machst du, du vermasselst immer alles.“

Nun sagt der Begleittext zum Training aber auch, man soll das für mindestens 30 Tage täglich machen. Auch, wenn man alle Antworten richtig hat. Wenn man falsche dabei hat, soll man das ausserdem so lange am Stück wiederholen bis alle Antworten richtig sind.

Eigentlich kommt mir das alles ziemlich albern vor und ich fühle mich ein bisschen ertappt, denn genau das steht auch schon im Text. Und, dass es sich irgendwann nicht mehr albern und falsch anfühlen wird, wenn man die richtigen Gedanken oft genug gelesen, gehört, sich selber gesagt hat.

Und obwohl ich solche Tests und Ratgeberbücher eigentlich so satt habe, weil die ja eh alle nicht helfen, mache ich weiter. Was sind schon 2 Minuten am Tag, die mich das Klicken aufhalten wird?

Und dann, nach 2 Wochen oder 2 1/2 merke ich, als mir in der Küche etwas runterfällt und die innere Stimme gerade mit einem ‚du bist so blöd‘ ansetzt, dass da auf einmal auch der Gedanke „Ey, das ist doch nur ein blödes Missgeschick. Das kann jedem passieren, das ist nicht schlimm.“ im Kopf ist. Ja huch!

Ich bin irritiert. Hilft es tatsächlich, wenn man diesen Mist, den man zwar (und ich wage es, jetzt ein vorsichtiges ’noch‘ hier einzusetzen) gar nicht glaubt, einfach nur oft genug anklickt und so tut als wäre er wahr?

Ich benutze oft das Bild von eingetretenen Pfaden, wenn es um meine in der Kindheit geprägten (falschen) Denk- oder Verhaltensmuster geht, um es mir selbst zu erklären und geduldig zu bleiben, wenn ich immer wieder vor die gleichen Wände laufe, an den gleichen Hürden scheitere. Wenn man in einer Spur feststeckt, die über so viele Jahre durch so häufiges Benutzen eingetreten wurde, dann sind die Ränder hoch und man kann nicht so einfach die Spur wechseln. Das weiss ich schon lange und doch scheitere ich immer daran, die Methode zu finden, wie man sich selber umprägen kann. Ich versuch’s ja auch mit Umdenken, damit mich bei falschem Denken zu ertappen und zu korrigieren. Und doch gibt es dafür keinen Automatismus, der mir hilft und besonders wenn es mir schlecht geht und ich besonders oft negative Gedanken habe, ist da auch gar nichts, was mich zu bewusstem Einschreiten bringt, denn ich bin dann ja schlecht und in diesen Phasen ist da nicht dieser Zweifel in mir (ob ich wirklich so schlecht bin), der sich sonst mittlerweile immer mal regt.

Dieses Durchexerzieren der 10 schnöden Situationen mit den auf Anhieb erratbaren richtigen Antworten kommt mir auf einmal wie ein Hebel der Art vor, wie ich ihn schon lange gesucht habe. Ich klicke auf dieser Online-Trainingsseite ein bisschen weiter rum, lese ein paar Texte, fühle mich verflucht oft erkannt und verstanden und obwohl ich mittlerweile diese Ratgeberaversion habe gegen diese Bücher, die einem sagen, was man ja ‚einfach nur‘ machen muss, damit alles wieder cool & froody ist im Leben, bestelle ich mir direkt ein Buch des Autors der Webseite. Den Namen kenne ich, von dem habe ich schon eines, auch ein Ratgeber, den durchzuarbeiten ich 4, 5 Anläufe gemacht habe und immer an der gleichen Aufgabe gescheitert bin „notieren Sie 10 Dinge, die Sie an sich mögen“. Über diese Hürde bin ich nie gekommen, jedes Mal an dieser Stelle habe ich das Buch weggelegt, die Aufgabe auf morgen verschoben, dann nochmal und nochmal und dann irgendwann das Buch wieder zurück ins Regal mit den ungelesenen Büchern gelegt. Ganz nach hinten.

Jetzt also ein anderes Buch, wieder ein Ratgeber und um mal endlich Namen zu nennen. Das Buch ist von Rolf Merkle und heisst „So gewinnen Sie mehr Selbstvertrauen“ „Sich annehmen“ und „Freundschaft mit sich schließen, den inneren Kritiker zähmen“ steht noch mit vorne drauf.

Als das Buch vor einer Woche hier angekommen ist, bin ich schon bei Satz 1 der „Anleitung für das Lesen meines Selbsthilferatgebers“ raus:

Nimm dir für die nächsten drei Monate täglich mindestens 30 Minuten Zeit, um in diesem Buch zu lesen und zu arbeiten.

Hapuh! Eine halbe Stunde am Tag für so lange Zeit? Dabei hatte ich das Buch auch bestellt, weil es für einen Ratgeber so erfreulich kurz ist mit seinen unter 150 Seiten. Da kann man ja nicht so viel verkehrt machen, das kann man mal lesen, selbst wenn’s dann nichts hilft.

Und dann lese ich weiter:

Höre ich dich gerade stöhnen? Höre ich dich gerade sagen, das sei zu viel verlangt? Dann möchte ich dich etwas fragen: Wie viel Zeit bist du dir wert? Dies ist ein erster Test, der dir zeigt, wie ernst es dir ist, mit dir selbst Freundschaft zu schließen. Wenn du nicht bereit bist, diese Zeit für dich aufzubringen, dann schenke dieses Buch einem Freund.

Ich fühle mich ertappt, erkannt, muss losheulen. Was bin ich mir wert?

Ich sage seit Jahren, ich würde mich gerne annehmen können, mögen, gerne haben, mich gut behandeln, aber ich komme über dieses Wünschen nicht hinaus. Denn immer ist da diese Stimme, dieser Teil von mir, der sagt „Aber eigentlich hast du das doch gar nicht verdient. Du bist nicht liebenswert.“ Und ich stehe mir selber im Weg. Wie immer. Wie soll ich mich annehmen, wenn es ein Teil von mir selber ist, der mir immer und ewig suggeriert, dass ich wertlos bin?

Vielleicht ist es wirklich mein erstes echtes Auflehnen gegen diese Stimme, gegen den inneren Kritiker, wie Merkle ihn nennt, die mich zu der klaren Entscheidung bringen, dass ich das jetzt wenigstens versuchen will. Ich hab ja viel mehr zu gewinnen als zu verlieren! Und ich habe gerade erst gemerkt, was 2 1/2 Wochen dussliges Klicken auf Antworten, die ich nicht glaube, bewirkt haben. Vielleicht bin ich nach 3 Monaten nicht an dem Punkt, an dem ich gerne wäre, aber ich habe zum ersten Mal das Gefühl, mich tatsächlich für mich entschieden zu haben. Nicht nur so zu tun als ob, aber in Wahrheit weiss ich natürlich, dass diese niedermachende Stimme recht hat.

Den ersten Lesedurchgang habe ich hinter mir, mich dabei oft erkannt gefühlt und viel geweint. Das alles kostet mich gerade noch viel Kraft und ich habe keine Ahnung, zu was es führen wird. Ich glaube aber, egal wie weit und egal wie lange ich durchhalte, es bringt mich in die richtige Richtung voran.

Den ersten Tag „geschwänzt“ habe ich auch schon. Und ich habe mich nicht dafür fertig gemacht, sondern bin mir selber mit Nachsicht und Verständnis begegnet. Richtige Richtung, my ass!

Das eigentliche Training, die Übungen, die man machen soll, sind hart. Die meisten davon kommen mir momentan noch unbewältigbar vor. Scheiterte ich bei dem anderen Buch an einer Liste von 10 Dingen an mir, die ich mag, lässt mich der Gedanke daran, dass ich 30 Tage lang je 5 Dinge, die ich an mir mag oder mögen könnte, wenn ich nicht so streng mit mir wäre, bisher nur die Augen aufreissen und nach Luft schnappen und ich finde es ungerecht, dass ich nur eine Liste mit 10 Dingen anlegen soll, die ich für meine schlimmsten Eigenschaften und Verhaltensweisen halte und dass ich mir die obendrein noch vergeben soll.

Aber ich habe auch beschlossen, dass ich mich dieses Mal nicht von solchen Aufgaben davon abhalten lassen will, überhaupt weiterzuarbeiten, an mir, mit mir. Vor allem aber will ich mich nicht wieder selber verurteilen, wenn ich einige oder auch die meisten der Aufgaben erst mal nach hinten schiebe. Und ich merke, während ich das hier aufschreibe, dass auch das schon Folge der Auseinandersetzung mit dieser Art des Denkens ist. Natürlich ist da gerade auch immer noch die Stimme, die sagt „Ey, du Lusche. Klar, dass du nur die weichgespülte Version hinbekommst und dir die Aufgaben zu schwer sind. Du kannst eben nix. Und wie peinlich, dass du das hier gerade auch noch erzählst. Erzähl ruhig allen, wie unfähig du bist.“, aber hey, ich erkenne sie und ich weiss jetzt auch, was sie da macht. Und vielleicht, ganz vielleicht, wird sie irgendwann ja kleinlauter werden.

Und dann habe ich direkt vor ein paar Tagen nochmal eine ‚das bin ich mir wert‘-Entscheidung getroffen und habe mir dieses wunderschöne, handgemachte Notizbuch gekauft für die Arbeit mit dem Buch. Eines, wie ich es eigentlich nie für mich selber kaufen würde und erst recht nicht, um auch tatsächlich reinzuschreiben. Gestern habe ich direkt die erste Seite vollgeschrieben, um erst gar nicht auf die Idee zu kommen, dass es ja doch eigentlich viel zu schade dafür ist.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Mal sehen, wo das jetzt alles hingeht und ob diese Art des Denkens über mich selber und dieser Umgang mit mir sich irgendwann vielleicht nicht mehr so falsch anfühlt. Auf jeden Fall habe ich jetzt ein sehr schönes Notizbüchlein. 🙂

Katja

(Das Online-Training für mehr Selbstachtung gibt es übrigens hier.)