Gelesen im Juni 2014

Der Juni war ausnahmsweise mal wieder ein ganz guter Lesemonat, obwohl ich eine ganze Woche lang nicht mal ein Buch auf dem Nachttisch liegen hatte. Dass ich so lange am Stück nicht zum Lesen komme, kommt normalerweise eigentlich nie vor. Trotzdem habe ich 4 Bücher gelesen und mir haben auch alle 4 ganz gut gefallen.

Robert Wilson – Tod in Lissabon

Wilson hatte mich mit seiner, hauptsächlich in Sevilla spielenden, Quadrologie um Inspector Chefe Javier Falcón in seinen Bann gezogen, deswegen wollte ich gerne noch etwas anderes von ihm lesen. Mich zu beeindrucken, wenn immer mal Details über meine spanische Lieblingsstadt vorkommen oder ein paar spanische Vokabeln gedroppt werden, ist nicht so schwer und ich war gespannt, ob mir Tod in Lissabon – ohne diesen Spanienbonus – ähnlich gut gefallen würde.

Ein junges Mädchen wird tot in der Nähe von Lissabon aufgefunden und Inspektor Zé Coelho und sein, für diesen Fall neu zugewiesener Partner, Carlos werden mit der Aufklärung des Mordes betraut. Parallel dazu gibt es einen zweiten Erzählstrang, der 1941 einsetzt, als der Deutsche Klaus Felsen eher unfreiwillig in die SS aufgenommen und in deren Auftrag nach Portugal geschickt wird, um von dort kriegswichtiges Wolfram, das zur Härtung von Munition verwendet wurde,  zu importieren. Da Wolfram knapp ist und die Deutschen sicher gehen wollen, dass möglichst viel des Metalles bei ihnen und möglichst wenig bei den Kriegsgegnern landet, sind die Methoden, die Felsen anwenden muss und die Geschäftspartner, mit denen er agiert, eher ausserhalb der Legalität angesiedelt. Als das Kriegsende naht, wird mit Nazigold eine portugiesische Bank gegründet und dass der Anwalt, der seinerzeit die Gründungsverträge aufgesetzt hat, ausgerechnet der Vater des ermordeten Mädchens ist, offenbart die erste Verbindung dieser beiden ansonsten erst mal sehr voneinander unabhängigen Geschichten.

Speziell den Teil um Felsen, bei dem die erzählte Zeit von 1941 auf die Gegenwart des Buches (199x) zuläuft, fand ich anfangs etwas zäh – auch weil dort oft Sprünge von vielen Jahren erfolgten. Aber spätestens, wenn die ersten Ansätze erkennbar sind, wie die beiden Geschichten miteinander verwoben sind, hatte Wilson mich im Bann des Buches. Dass das alles schon sehr konstruiert und die Menge der Zufälle, wer da mit wem, sehr hoch ist, kann ich gut verzeihen, denn der Roman, der den Deutschen Krimipreis 2003 gewonnen hat, ist wirklich spannend erzählt und die Geschichten sind meisterhaft verflochten.

Mal gucken, was der Herr Wilson sonst noch so geschrieben hat.

 

Tanja Kinkel – Der König der Narren

Tanja Kinkels historische Romane liebe ich (fast) alle innig, „Der König der Narren“ war jetzt der zweite ihrer Fantasy-Romane, den ich gelesen habe und er hat mir, dafür dass ich eigentlich mit Fantasy wenig anfangen kann, erstaunlich gut gefallen.

Was passierte eigentlich noch so in Phantasien als das Nichts drohte, die Welt zu verschlingen und als Atréju auf dem Rücken des Glücksdrachen Fuchur unterwegs war, um das Reich zu retten, während Bastian auf dem Speicher die Nase nicht aus dem Buch herausbekam?

Das Schicksal der jungen Res aus Siridom steht fest. Als Tochter einer der berühmten Weberinnen der Stadt, ist es auch ihre Bestimmung, Weberin zu werden und die Geschichten des Reiches in Bildern auf prächtigen Teppichen darzustellen. Das Problem ist nur: Res möchte, zum Kummer ihrer Mutter, viel lieber die Stadt verlassen und selber Abenteuer erleben als nur jene von anderen in Teppiche zu weben. Als das Nichts sich der Ebene von Kenfra nähert, entdeckt Res auf einem uralten Teppich, dass das Nichts schon einmal die Welt bedroht haben muss und dass der Verlorene Kaiser, dessen Geschichte der Teppich zeigt, das Reich damals gerettet hat. Da niemand etwas unternimmt, bricht Res selber, zusammen mit der Katze – einer Wanderin zwischen den Welten – auf, um den Verlorenen Kaiser zu suchen und Phantasien vorm Nichts zu retten.

Ich weiss nicht, wie einem wahren Fan der unendlichen Geschichte Tanja Kinkels ‚Spin Off‘ gefallen würde; und da es bei mir mehr als 2 Jahrzehnte her ist, dass ich ‚Die Unendliche Geschichte‘ von Michael Ende gelesen habe, weiss ich auch nicht, welches der Völker und ihrer Eigenarten evtl. dem Original entsprechen und was davon, Tanja Kinkels Fantasie entsprungen ist, aber mir hat dieser Gedanke, dass – gerade in einem Reich der Phantasie, das in einer Geschichte besteht – natürlich noch mehr Geschichten gleichzeitig ablaufen als nur jene eine bisher bekannte und erzählte, wahnsinnig gut gefallen.

Ich mag die Charaktere. Res, die so ungestüm losstürmt, um die Welt zu retten und wie der Lauf der Geschichte und die Ereignisse, sie verändern. Und auch die Katze und der alte Chinese Yen Tao-tzu, die beide Res auf ihrer Reise begleiten, sind für mich immens vielschichtig und stimmig.

Schöne Geschichte! So lasse ich mir Fantasy gefallen. 🙂

Das war ausserdem das erste Buch überhaupt, das ich auf dem Kindle gelesen habe, doch bevor ich da nochmal gesondert Eindrücke festhalte, will ich mindestens noch eines lesen. Es ist aber ganz anders als ich es mir vorgestellt hätte und mir gefallen / mich stören ganz andere Dinge als ich gedacht hätte. Deswegen war es auf jeden Fall schon gut, das Lesen auf einem eReader auszuprobieren.

 

Donna Freitas – Wieviel Leben passt in eine Tüte?

Als die Mutter der 16-jährigen Rose stirbt, ist nichts in ihrem Leben mehr wie vorher. Cheerleading geht nicht mehr, weil sie die Nachricht von der Einlieferung ins Krankenhaus im Footballstadion erhalten hatte. Musik hören geht nicht mehr, weil es zu viele Gefühle in ihr weckt und auch von ihren Freunden schottet sie sich ab und versinkt ganz in ihrer Trauer. Als ob die Mutter das geahnt hatte, hat sie ihrer Tochter eine Papiertüte – Roses Survival Kit – hinterlassen, mit lauter Dingen, die die Tochter wieder zurück ins Leben führen sollen. Schon der erste ‚Auftrag‘, den die Mutter hinterlassen hat, führt Rose zu Will – den stillen verschlossenen Jungen von Roses Schule, der selber seinen Vater vor 2 Jahren verloren hat und der sich seit dem Tod der Mutter um deren prächtigen Garten kümmert.

‚Wieviel Leben passt in eine Tüte‘ ist eigentlich ein Jugendroman und beim Lesen habe ich schon recht deutlich gemerkt, dass ich da nicht mehr so richtig zur Zielgruppe gehöre. Eindeutig zu viel Drama für meinen Geschmack – aber für die eigentliche Zielgruppe vermutlich genau passend so. Die Charaktere verhalten sich für mich an vielen Stellen irgendwie merkwürdig, da frage ich mich, wo die Motivation liegt, aber irgendwie sind sie alle zwar recht oberflächlich charakterisiert und ohne große Tiefe, aber trotzdem auch alle sympathisch. Teeniekitsch eben.
Allerdings fand ich mich dann an manchen Stellen überraschenderweise doch irgendwie zur Zielgruppe gehörend, nämlich jener von Mädchen, die in dem Alter einen Elternteil verlieren und lernen müssen, irgendwie damit umzugehen. Rose schottet sich ab, zeigt das nach aussen. Ich hab damals gelächelt und gewunken und so getan als sei alles in Ordnung und das merke ich heute noch, wenn der Kummer nach all den Jahren immer noch gelegentlich aufflammt und ich habe mich gefragt, wie es wohl gewesen wäre, selber so eine Tüte hinterlassen zu bekommen und was mein Vater damals wohl für mich eingepackt hätte. Diesen Gedanken des Survival Kits mag ich irgendwie und auch jenes Kit, das Rose im Laufe des Buches selber für jemanden packt.

Was das Buch eindeutig geschafft hat, ist mich irgendwie doch in seinen Bann zu ziehen und ich habe mich gut unterhalten gefühlt – also alles richtig gemacht.

*Corina knuffs*

 

 Roman Voosen / Kerstin Signe Danielsson – Später Frost

Ingrid Nyströms Vorgesetzter ist in einem Verkehrsunfall mit einem Wildschwein schwer verletzt worden und so bekommt sie die Leitung der Kriminalpolizei im schwedischen Växjö just übertragen als die deutsch-schwedische Polizistin Stina Forss, die bisher in Berlin lebte und bei der Polizei arbeitete, ihren Dienst in Växjö antritt. Nur kurze Zeit später wird die grausam zugerichtete Leiche des Schmetterlingsforschers Balthasar Melchior Frost in dessen Gewächshaus entdeckt und die Polizei von Växjö ermittelt.

Ich hatte hier schon ein paar Eindrücke zu dem Buch festgehalten und an dem guten ersten Eindruck hat sich auch bis zum Ende des Buches wenig geändert. OK, ein bisschen weniger Drama an manchen Stellen hätte nicht geschadet. Das sind teilweise schon ein paar arge Zufälle, die da zusammentreffen, aber ich fand die Lektüre so spannend, dass ich das verzeihen kann.

Die Perspektive im Buch springt und betrachtet nicht nur die beiden Protagonistinnen, sondern auch die anderen Charaktere, primär die Polizisten, im Buch. Das macht einerseits einen Teil der Spannung aus, weil man sehr direkt mitbekommt, wie die einzelnen Puzzlestücke der Ermittlungen sich zusammenfügen. An manchen Stellen wird es dadurch aber ein bisschen schwerer lesbar, wenn man sich beim Wechsel des Kapitels erst mal neu orientieren muss, wen man gerade begleitet.
Auch an die Kapitelstruktur musste ich mich erst mal gewöhnen. Die einzelnen Wochentage markieren größere Abschnitte und innerhalb der Wochentage gibt es einzelne Kapitel, die aber bei jedem Tag wieder bei Nr. 1 anfangen. Das fand ich anfangs verwirrend, andererseits trägt aber im Rückblick auch diese Struktur dazu bei, dass man sich als Leser in die Ermittlungsergebnisse eingebunden fühlt. So wie die Tage voranschreiten, gehen auch die Ermittlungen weiter.

Stina Forss Familiengeschichte, die sie nach Schweden geführt hat, wird in meinen Augen ein bisschen unzureichend vermittelt, aber ich nehme an, dass es damit in weiteren Bänden weitergehen wird und dann ist es doch ganz gut so, weil die Spannung in diesem Punkt erhalten bleibt. Insgesamt ein schöner Auftakt einer Serie, hat mir gut gefallen und der zweite Band ist schon auf der Wunschliste notiert. (Mehr gibt es aktuell leider noch nicht.)

Katja

Werbung

kurz zitiert #43

Lars Knutsson stapfte durch den Regen, der Schotter knirschte unter seinen Füßen. Er hatte Hunger. Das war eigentlich nichts Besonderes, er hatte oft Hunger. Aber heute hatte er nicht einfach Hunger, sondern einen Sonntagshunger. Der unterschied sich von normalem Hunger nicht dadurch, dass er größer, sondern dass er anders war. Ein Sonntagshunger war ein Hunger auf Rinderklößchensuppe, auf Braten mit Soße und Kartoffeln, auf zwei Sorten Buttergemüse. Auf einen Nachtisch, zum Beispiel warmen Käsekuchen mit Sahne und Blaubeermarmelade. Lisa, seine Frau, kochte gerade jetzt, als er den Schotterweg hinunterstapfen musste, genau dieses Essen. Sie stand am Herd in der großen, warmen Küche in ihrem Haus in Åby. Ihr ältester Sohn Martin war mit seiner Erika zu Besuch, und Enkel Oskar hatten sie auch dabei. Nur er lief hungrig durch den Wald.
Natürlich würden sie an ihn denken. Sie würden von allem einen Rest übrig lassen und in Schälchen legen, mit Frischhaltefolie abdecken und in den Kühlschrank stellen. Aber das war kein Ersatz. Ein Sonntagshunger galt nicht diesen kalten Tupperdosen im Kühlschrank, die man in die Mikrowelle stellte, um sie dann vor dem Fernseher leer zu essen. Zum Sonntagshunger gehörte eine gedeckte Tafel, gehörte Oskar, wie er auf seinem Schoß saß und quietsche und kleckerte. Im Grunde war Knutssons Sonntag jetzt schon gelaufen.

(Roman Voosen, Kerstin Signe Danielsson, Später Frost, Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss, KiWi Paperback, Seite 44)

 

Wie könnte ich mich nicht spätestens an der Stelle in das Buch verliebt haben? Ein Sonntagshunger! Wie schön beschrieben und ich kann das Essen fast riechen! Mittlerweile bin ich schon deutlich weiter und es gibt einige solcher warmherzigen Beschreibungen. Dazu ist der Fall spannend, bisher ist das Ende noch gar nicht vorhersehbar und die Charaktere sind alle fein gezeichnet. Obwohl es recht viele gibt, muss ich nicht hin und herblättern, weil ich mir nicht merken könnte, wer nochmal was war – das ist eigentlich immer ein gutes Zeichen dafür, dass ich sie markant und erkennbar finde.

Schönes Buch bisher! Ich ahne, dass ich mir da ruckzuck den zweiten Band holen muss und dann losgrummeln werde, weil es noch nicht mehr davon gibt. 🙂

Katja