Knäuel

Keine Ruhe im Kopf. Wieder mal. Zu viele Dinge, um die die Gedanken gleichzeitig kreisen und kreisen und weiterkreisen und dann scheint es als würden sie Fäden oder doch zumindest fadenartige Spuren hinter sich herziehen und je wilder alles kreiselt, desto mehr verheddert sich der ganze Mist im Kopf. Und ich sitze da, rolle den aufgewickelten, verhedderten Gedankenschnurwollball von der linken Hand in die rechte und wieder zurück, betrachte den wüsten Mix aus Farben und Mustern und finde wieder mal keinen Anfang, keine Stelle, an der ich anfassen kann und von wo aus ich mich ans Entwirren machen könnte. Irgendwie ist das tatsächlich ähnlich wie bei einem neuen Wollknäuel. „Man muss immer den Fadenanfang im Knäuelinneren suchen“, habe ich als Kind von meiner Oma gelernt, „weil sich dann alles ganz leicht einfach von innen rausziehen lässt“ und nicht rumkullert und sich auf’s neue verheddert, wie es passiert, wenn man einfach den äußeren losen Faden nimmt. Meine Oma konnte das wirklich perfekt. Von beiden Seiten steckte sie Zeigefinger, Mittelfinger und Daumen ins Wollknäuel, tastete ein bisschen rum und voilà, kurze Zeit später zog sie lässig die Finger wieder raus und hatte den Fadenanfang zwischen den Fingern.

Bei mir sieht das leider ganz anders aus. Ich stecke die Finger, genau wie meine Oma, ins Knäuel, dann taste ich und fühle und suche und am Ende habe ich das halbe Knäuel Wolle rausgerissen, verknotet und vertüdelt, aber den Anfang sehe ich immer noch nicht und das ist jetzt am Ende des Bildes mehr Parallelität zu meinem aktuellen Gedankenschnurwollball als mir lieb ist.

Katja

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Dufte Erinnerung

Ich staune und wundere mich immer wieder darüber, wie mächtig Gerüche sind und wie stark scheinbar Verknüpfungen zu ‚Dufterinnerungen‘ sind.

Gerade bin ich unter der Dusche wieder einmal in meine Kindheit zurückkatapultiert worden – direkt ins Badezimmer des Hauses meiner ‚Bodenseeoma‘. Die hieß so, weil sie einige Kilometer vom See entfernt in einer wunderbaren Villa an einem Hang mit unverbautem Blick auf den Bodensee wohnte. Einige Male pro Jahr besuchten wir sie und ihr Haus hatte ganz spezielle Gerüche, in fast jedem Raum einen anderen.

Vor einigen Tagen hatte ich ein neues Duschgel jener Marke gekauft, von der es bis vor kurzem mein absolutes Lieblingsduschgel gab. Von denen probiere ich eigentlich alle neuen Sorten aus – auch in der Hoffnung, dass es wieder mal ein ähnliches wie mein liebstes geben könnte. In der Flasche roch das ziemlich unscheinbar, aber beim Benutzen!1elf Totaler Erinnerungsflash und ich sah erst meine Oma vor mir, wie sie vorm großen Spiegel steht und ihr Haar bürstet, ihr kleiner, ewig in die Zehen kneifender, wenn man sich meiner Oma, die darauf bestand Omi genannt zu werden, auf mehr als 2 Meter näherte, verzogener Yorkshire Terrier auf dem Toilettendeckel ‚geparkt‘ und dann hatte ich Details des Badezimmers mit seinen goldfarbenen Armaturen vor Augen. Bei dem ich mir nie hätte vorstellen können, es zu benutzen, wenn man im Garten gespielt hatte und schlammig reinkam. Das war für mich eher ein Raum zum Besichtigen und Anschauen als einer zum Benutzen.

Wir hatten, wenn wir zu Besuch waren, zum Glück unser eigenes Bad, das man auch benutzen konnte. Das hatte einen ganz anderen Geruch und erstaunlicherweise hatte ich auch das schon vor einigen Jahren so deutlich vor Augen. Noch erstaunlicher daran ist, dass auch das beim Duschen war und zwar mit einer anderen Duschgelduftrichtung der genau gleichen Marke.

Ob die auf Düfte aus dem Haus meiner Bodenseeoma spezialisiert sind? Irgendwie warte ich jetzt auf jeden Fall darauf, dass die in einigen Jahren eines herausbringen, das wie die Küche meiner Oma riecht – eine Mischung aus Gewürzen und allen möglichen Teesorten, die in Blechdosen im Regal standen – dominiert vom Bergamotte-Aroma des Earl Grey, was sich vermutlich als Duft besser verkauft als die Gerüche nach Apfelmus oder Frikadellen, die es in der Küche meiner anderen Oma zu schnuppern gab. :mrgreen:

Katja