Übungstitel: Ich bin OK. Und ich darf das sein.

Seit Tagen schon gärt es in meinem Kopf und ich finde keine Stelle, wo ich die Gedanken fassen kann, um sie so aufzudröseln, dass sie einen Sinn und Zusammenhang bekommen. Ich fange also mal wieder einfach an, ins Unreine vor mich hin zu tippen und hoffe, dass die Notwendigkeit, Sätze darüber zu formulieren, auch wieder im Kopf für Entwirrung sorgt.

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Vor einigen Tagen bloggte Svü darüber, dass sie es satt hat, wenn andere Menschen, die Ursache für ein bestimmtes Empfinden bei ihr sofort mit der psychischen Erkrankung assoziieren, weil sie die Dinge ganz genauso sehen oder empfinden würde, wenn sie gesund wäre. Bis auf ihr Fazit, dass sie die Dinge genauso sehen würde, wenn sie nicht krank wäre  (was man, so glaube ich zumindest, einfach nicht wissen und einschätzen kann – man weiss ja nie, wie man fühlen würde, wenn ein Faktor anders wäre als er ist), war mein erster Gedanke „Jawoll! Ich will nicht immer auf die Erkrankung reduziert werden! Ich bin doch so viel mehr als nur Depression und Angst, warum merkt das denn niemand?“ Und während ich etwas ähnliches ins Kommentarfeld tippen wollte, fiel mir auf, dass ich es eigentlicht oft selber bin, die sich reduziert. Ich bin immer diejenige, die zögert, ob sie etwas wirklich kann oder schafft. Ich bin diejenige, die sich Dinge nicht (zu-)traut. Und ich bin auch diejenige, die, wenn sie dann etwas schafft, das Gefühl hat, das ‚trotzdem‘ geschafft zu haben, nicht einfach es geschafft zu haben. Das ist immer da, immer präsent – da läuft immer der interne Gegencheck.

Ich bin die, die mich dauernd mit der Krankheit verbindet. Klein. Unfähig. Nicht liebenswert. Gescheitert.

Und manchmal weiss ich, dass diese negativen Gedanken, die mich schon so lange genauso klein halten, wie ich mich fühle, schädlich sind, nicht gut sind. Und noch seltener weiss ich, dass sie auch gar nicht unbedingt stimmen.

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Dann las ich bei Sherry über ihr Selbstexperiment, bei dem sie, über Wochen hinweg, gegen negative und selbstabwertende Gedanken mit den positiven Gegenstücken der Gedanken interveniert hat und dass sie damit tatsächlich Erfolg hatte und ihre automatische – negative – Denkweise hin zu einem positiveren Selbstbild ändern konnte. Und Sherrys Artikel hat mich zum Lachen gebracht und zum Weinen und mir war beim Lesen heiss und kalt, weil sie dort unter anderem über ihre aus der Erschöpfung resultierende Wut schrieb, die sie dazu brachte, diese negative Denkweise über sich selber zu hinterfragen. Und an dieser Stelle ist beim Lesen etwas bei mir eingerastet.

Ich weiss, dass ich, eigentlich schon seit ich denken kann, nur wenig Selbstwertgefühl habe und ich weiss auch, zumindest überwiegend, wo die Ursachen dafür liegen, warum mir dieses Urvertrauen in mich selber und den eigenen Wert und die eigene Liebenswertigkeit und -würdigkeit so fehlt. Und seit Jahren renne ich gedanklich immer wieder vor die gleichen Wände, dass ich das zwar theoretisch und intellektuell alles begreifen kann, dass ich aber einfach aus dem entsprechenden Fühlen nicht rauskomme und auch nicht weiss, wie ich diese negativen Gedanken über mich selber abstellen soll, weil die immer und automatisch auftauchen.

Neu ist für mich durch die Denkanstöße, die Sherrys Text mir gibt – der Zweifel an bzw. die Frage nach der Berechtigung. Das Wissen, wo diese Denk- und Fühlmuster ihren Ursprung haben, hat mir nicht geholfen, die irgendwie abzustellen, in den Griff zu bekommen. Ich weiss seit Jahren, dass ich mich so oft wertlos fühle, weil ich als Kind das Gefühl vermittelt bekam, wertlos zu sein. Und ich habe das mein Leben lang so akzeptiert. Und wenn ich mir selber auch gesagt habe, dass ich ja weiss, wo das Denken herkommt, so habe ich trotzdem immer weiter akzeptiert, dass ich so denke und so fühle.

Aber ich bin nie auf die Hinterbeine gegangen und habe mich, meine Mutter oder sonst wen in der Welt gefragt, wieso zur Hölle, ich eigentlich kleiner, doofer, unfähiger, wertloser sein soll als alle anderen. Warum? Warum nehme ich immer hin, dass ich das bin, denke immer, dass ich das bin und frage nie, warum das so sein soll? Was, verflucht nochmal, mache ich denn konkret, was mich soviel schlechter macht als andere. Oder überhaupt schlecht?

Ich weiss, wo dieses negative Selbstbild seinen Ursprung hat, aber ich bin nie den Schritt gegangen, die Berechtigung davon wirklich in Frage zu stellen, sondern habe das immer einfach hingenommen. Und ich hakele gerade selber an der Stelle, dass ich ja eigentlich schon lange wusste, dass diese negativen Denkmuster schädlich sind und dass ich ja auch wusste, dass das Muster sind. Trotzdem habe ich – zumindest unbewusst – die Richtigkeit nie hinterfragt.

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Heute Morgen wollte ich nach dem Aufstehen, noch ziemlich im Tran und mit nur einem Kaffee intus, Kuchen backen. Dafür wollte ich etwas aus einer der Schubladen aus dem Küchenschrank holen und war dabei so tief über die Schublade gebeugt, dass ich nicht merkte, dass ich mit der Front beim Rausziehen, die Klappbox vom Hocker vor der Schublade schob. Erst als es polterte und dooferweise auch klirrte.

Danach setzte wieder mein üblicher Selbstzerfleischungsalgorithmus ein – klein, unfähig, kann nicht mal ’nen Kuchen backen, zu doof zum Leben.

Aber zum ersten Mal kam mir – wenn auch deutlich zeitverzögert – die Frage in den Sinn, weswegen ich eigentlich so streng mit mir bin. Klar, das war doof gelaufen und ungeschickt. Aber ich war ja auch noch müde und nicht so fit. Und letztendlich ist doch gar nichts so furchtbar Schlimmes passiert. Auf jeden Fall nichts, das rechtfertigt, dass ich mich selber so fertig mache. Jedem anderen hätte ich in einer ähnlichen Situation gesagt: „Ach komm! Shit happens! Das kann jedem passieren und ist doch nicht so schlimm!“

Nur mir selber sage ich in so Situationen Dinge wie: „Du kannst nix! Du bist zu doof! Du bist so unfähig! Wieso versuchst du nur immer wieder überhaupt sowas zu machen? Lass es doch alles am besten gleich bleiben, dann wäre allen geholfen. Du kriegst doch eh nichts hin! Du bist soooooo doooooof! Doooof! Doooof!“

Das kann doch jedem passieren! Warum lasse ich mich selber, in der Bewertung solcher Dinge, dabei aussen vor? Es ist doch nicht so, dass ich mich für besser hielte und deswegen an mich andere (höhere) Maßstäbe anlegen müsste, sondern genau das Gegenteil. Ich halte mich für kleiner und unfähiger. Und trotzdem habe ich mit allen, die ich für besser und größer als mich halte, mehr Nachsehen und Geduld als mit mir selber? Alleine da stimmt doch was nicht…

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Und jetzt?

Ich hoffe, dass alleine das Aufschreiben hilft, dass ein paar der Gedanken tiefer bei mir hängen bleiben. Ich will mich – zumindest wenn es mir überhaupt auffällt (oft merke ich das ja nicht mal) – in Zukunft bei Missgeschicken lieber selber trösten als mich selbst zu zerfleischen.

Ich zögere davor, mir vorzunehmen, mir selber 3 Mal täglich zu sagen, dass ich irgendetwas kann oder gut mache oder einfach ok oder liebenswert bin – aber vermutlich sollte ich genau das tun.

Ich zögere deswegen, weil es mir so schwer fällt, dort Schattierungen und Abstufungen zu erkennen, weil es sich für mich so anfühlt, als wäre das ein Kippschalter, von der Nichtigkeit hin zum Größenwahn. Ich habe immer Angst, dass ich, wenn ich nicht mehr zurückhaltend bin in der Meinung über mich, direkt arrogant sein könnte.

Aber ich weiss auch (zumindest intellektuell, auch wenn ich das emotional noch nicht begreife), dass irgendwo dazwischen vielleicht die Realtität liegt. Und dass Selbstabwertung nicht gleich Bescheidenheit ist.

Das ist alles noch sehr verworren und durcheinander im Kopf und die erste oder wichtigste Frage, die ich mir vermutlich selber beantworten muss, klaue ich bei Sherry: Warum verwehre ich mir seit Ewigkeiten das Recht, mich selber OK zu finden? Warum eigentlich?

Katja

 

 

 

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