Irgendwann werde ich auch mal wieder mehr als 2 Bücher in einem Monat schaffen. Ommm. Gerade viel Hektik rundrum, wenig Zeit zum Lesen. Hier die gesammelten Bücher des Februars.
Susan Abulhawa – Während die Welt schlief
(Ich komme hier nicht ganz ohne Inhaltsspoiler aus, aber ich glaube/hoffe, das ist bei diesem Buch nicht so kritisch.)
Die englischsprachige Wikipedia (in der deutschen gibt es keinen Eintrag zur Autorin) zitiert die Autorin bezüglich des Buches folgendermaßen:
“In the Palestinian narrative,” she has said apropos of the book’s story, “there are no two sides. There are no two sides to this conflict in the same way that there were no two sides to the Holocaust. There were no two sides to apartheid. There are no two sides to slavery. You have a nuclear power that is pitted against principally an unarmed civilian population. This is not a matter of sides.”
(Quelle)
und ich musste mir das beim Lesen häufiger mal als ihre Haltung vor Augen halten. Ich weiss (leider bisher) viel zu wenig über den Palästina-Konflikt, der nun schon seit über 60 Jahren andauert als dass ich mir eine Bewertung anmaßen würde. Eine Freundin schenkte mir das Buch, weil es sie sehr aufgewühlt hatte und das ist auch mit mir passiert.
Susan Abulhawa erzählt die Geschichte einer Familie über 4 Generationen. 1948 von den Zionisten aus dem palästinensischen Heimatdorf ‚Ein Hod‘ vertrieben, landet die Familie im Flüchtlingslager Jenin. Dort wird 1955 die Protagonistin des Buches – Amal, deren Name ‚Hoffnung‘ bedeutet – geboren. Die glücklichen Erinnerungen ihrer Kindheit sind jene, als sie morgens vor Sonnenaufgang auf dem Schoß ihres Vaters sitzt, der ihr, während er seine Pfeife mit Honig-Apfel-Tabak raucht, die Verse der großen islamischen Poeten vorliest.
„Baba, wen liebst du mehr, mich oder Yussuf“
„Habibti“, begann er. Ich musste lächeln, als er mich so nannte. „Ich liebe euch beide gleich stark“, sagte er.
„Wie sehr liebst du mich?“
„Meine Liebe zu dir ist so groß wie der Ozean und all seine Fische. So groß wie der Himmel und all seine Vögel. So groß wie die Erde und all ihre Bäume.“
„Und was ist mit dem Universum und all seinen Planeten? Den Teil hast du vergessen.“
„Dazu wollte ich gerade kommen. Nur Geduld“, sagte er, an seiner Pfeife ziehend. Er atmete aus. „Meine Liebe zu dir ist größer als das Universum und all seine Planeten.“
„Liebst du Yussuf genauso sehr?“
„Ja. Meine Liebe zu ihm ist so groß wie der Ozean … aber ohne all die Fische.“
All die Fische – der Gedanke, dass Baba mich ein wenig mehr liebte, ließ mein Herz schwellen. „Was ist mit dem Himmel und der Erde? Ist deine Liebe zu Yussuf so groß, aber ohne Vögel und Bäume?“
„Ja, aber sag es niemandem.“
„Das werde ich nicht, Baba, ich schwöre.“ Jetzt ließen Vögel mein Herz schwellen.
„Was ist mit dem Universum?“
„Sei nicht gierig.“ Er zwinkerte mir zu. „Ich muss zur Arbeit, Habibti. Morgen.“(Susan Abulhawa – Während die Welt schlief, Diana Verlag, Seite 84)
Als sie 12 ist, verliert Amal den Vater, ihr Bruder Yussuf wird gefoltert, geht kurz darauf in den Untergrund und schließt sich der PLO an, sie selber wird angeschossen, die Mutter verschließt ihren Geist. Amal kommt einige Zeit später erst in ein Waisenhaus, um dort zur Schule zu gehen, mit 18, dank eines Stipendiums, an eine amerikanische Universität und kehrt erst 2002, zusammen mit ihrer schon erwachsenen Tochter, deren Vater bei einem Bombenangriff im Libanon schon vor deren Geburt ums Leben kommt, nach Jenin zurück.
Die Geschichte umfasst alle Bandbreiten des Grauens, das Menschen einander in Krisen- und Kriegsgebieten antun können und ich musste beim Lesen oft innehalten, weil ich den Schmerz, der in den Zeilen steckt, kaum aushalten konnte. Die Geschichte geht nahe, obwohl ich an einigen Stellen fast schon sauer auf die Autorin war, weil sie ihre eigene Glaubwürdigkeit so sabotiert. Das größte Problem, das ich nämlich mit dem Buch habe ist, dass sich alle diese Dinge, die den Konflikt ausmachen – angefangen bei einem entführten, geraubten palästinensischen Baby, das bei jüdischen Eltern aufwächst, bis hin zu Selbstmordbombenattentaten im Libanon – auf diese eine Familie konzentrieren. Ich will gerne glauben, dass es all diese Dinge, all diese Geschichten gibt und auch, dass es wichtig ist, sie zu erzählen. Der Glaubwürdigkeit tut es aber, in meinen Augen, nicht gut, sie alle einer einzigen Familie geschehen zu lassen. Immer wieder hat mich der Gedanke „och nö, das jetzt nicht auch noch“ aus der Geschichte katapultiert.
Die Sprache ist schön, teils sehr poetisch, wenn es um die Verbundenheit zur Erde, zu dem Land dort geht, erdrückend, wenn es um den Schmerz geht. Dazwischen immer wieder Passagen, die nüchtern runtererzählt sind. Ich dachte zuerst, das ist alles sehr inkonsistent, bei näherer Überlegung ist es aber vielleicht auch so gewollt. Die Sprache ist immer dann sehr blumig, wenn es um starke Emotionen geht. Mich hat auch irritiert, dass die Perspektive manchmal von einem zum anderen Absatz springt – von der ich-Perspektive zum auktorialen Erzähler.
Das ist vielleicht nicht handwerklich das beste Buch, trotzdem bin ich sehr froh, es gelesen zu haben und auch wenn es harter Tobak ist, möchte ich es durchaus empfehlen. Wie ich eingangs schon schrieb, ohne mir eine Bewertung anmaßen zu wollen, glaube ich, dass der Konflikt dort viel zu wenig und selten aus palästinensischer Sicht erzählt und/oder wahrgenommen wird.
Tex Rubinowitz – Die sieben Plurale von Rhabarber
Das war nämlich so: neulich erzählte die Wunderbare Welt des Wissens vom Kauf dieses Buches und dass sie schon auf dem Heimweg aus der Buchhandlung dauernd darüber giggeln musste und dann landete das Buch – alleine schon wegen des wunderbaren Titels – direkt auf meiner Wunschliste und kurz darauf landete es völlig unerwartet in meinem Briefkasten. ♥
Und nach der ziemlich schweren Kost des letzten Buches, war das genau der passende Nachfolger. Es gibt Bücher, da braucht man hinterher erst mal etwas möglichst Gegensätzliches, weil die noch so lange in einem nachwirken und klingen.
Ich mag Listen. Ich schreibe sogar selber dauernd irgendwelche Listen. Zum Abarbeiten, zum Einkaufen, zum Einpacken, zur Essensplanung und über die Bücher, die ich irgendwann mal lesen möchte.
Die sieben Plurale von Rhabarber enthält ausschließlich Listen, von denen viele – jedenfalls für mich – einzeln für sich genommen vermutlich gar nicht so wirken würden, aber durch diese große Sammlung unfassbar skurriler und absurder Aufzählungen ist es eine herrliche Unterhaltung.
Da wären zum Beispiel – die könnte ich eigentlich mal auswendig lernen – die
Ausreden fürs Weinen
1. Etwas ist ins Auge geflogen (z.B ein Insekt, das traurig ist)
2. Solidarität mit der Trauerweide da drüben
3. Tränenreservoir war schon randvoll, musste ja irgendwann mal überschwappen, ist ganz normal
4. Sind nicht meine Tränen, ich weine für jemanden, der sich für seine Gefühle schämt
5. Brauchte eine Träne fürs Knopfloch
6. Das Auge schwitzt nur
7. Aus welcher Öffnung soll’s denn sonst rauskommen?
8. Hab grad mal meine Augen gewaschen, aber im Klo gab’s kein Handtuch
9. Argentinien hat das von mir verlangt
10. Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen, ist nur ein stinknormales Tränenwunder(Tex Rubinowitz – Die sieben Plurale von Rhabarber, rororo Seite 125)
Das ist übrigens eine der eher seriösen Listen. 😀 Bei den meisten fragt man sich, was dieser Typ wohl genommen oder geraucht hat, dass er auf so absolut schräge Ideen kommt. Toll kreativ, toll schräg! Danke, liebste Wunderbare! 🙂
(Und wer danach noch nicht genug von Listen hat, lese unbedingt Erlend Loe „Naiv. Super.“ – da geht es auch, aber nicht ausschließlich um Listen.)
Katja