All dein Alles

Warum nennst du es eigentlich Selbstwert, wo du deinen Wert doch so oft nicht selbst bestimmst, sondern dein Empfinden viel häufiger davon abhängt, wie wertvoll andere dich schätzen, wie wertschätzend sie mit dir umgehen? Müsstest du es der Richtigkeit halber dann nicht Anderenwert oder zumindest Außenselbstwert nennen und wie kommst du weg davon? Wie kannst du d(ein)en Selbstwert endlich wieder (endlich überhaupt!) zu einem echten Selbst-, einem Innenselbstwert machen, über den du selber die Hoheit hast, wo du selber deinen Wert bestimmst. Und dann lachst und soifzt du gleichzeitig und fragst dich (selbst) wieviel selber und Selbst passt überhaupt in einen so kurzen Absatz? Und dann lachst du gar nicht mehr und soifzt nur noch, weil du daran denken musst, wie wenig Selbst gerade von dir übrig ist.

Ich bin mir das gerade wert, ich muss mir das gerade wert sein, denkst du in letzter Zeit häufiger, aber eigentlich, wenn du ehrlich bist, musst du dich zu den Gedanken zwingen und sie haben nichts mit deinen Gefühlen zu tun, sind davon losgelöst. Vielleicht gibt es auch einen Unterschied zwischen dem gedachten Selbstwert und dem gefühlten? Und du kannst zwar deinen gedachten mit viel Disziplin in bestimmte Bahnen lenken, aber der gefühlte hängt und hinkt wie immer hinterher.

Diskrepanz. Wie immer. Immer. Immer. (Und an dieser Stelle musst du daran denken, wie sehr sie dir das Leben schwer macht und nicht nur die eigene, aber das ist ein anderes Thema, nur dass du das Wort nicht denken oder schreiben kannst, ohne daran zu denken.) Dein Kopf ist so erwachsen und deine Gedanken sind oft kluge, nur dein kleines, dummes Herz, das du oft genug selber kleines, dummes Herz nennst, ist auf immer und ewig 3, mit all seiner Verletzung und all seinem Schmerz und all seiner Sehnsucht und all seinen Scherben und all seinen Spuren und all seinen Narben und all seinem Alles. Und dann denkst du noch, dass das eigentlich gar nicht stimmen kann mit dem Dreisein, denn dafür ist das viel zu viel, was es da mit sich rumträgt. Vielleicht solltest du also erst mal aufhören, es klein und dumm zu nennen, denn auch das ist Teil des (Innen-)Selbstwertes.

Häng dein Herz an eine wackelnde Welt
Und dann wunderst du dich, dass es runterfällt

Häng dich an
Nichts oder alles oder nichts oder alles
Nichts oder alles oder nichts oder alles
Nichts oder alles oder nichts

Oder an die Freude!

(Judith Holofernes – Oder an die Freude)

Katja, letzteres versuchend

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Das Meer ist ein guter Ort für Bestandsaufnahmen

Der Tisch ist ein bisschen in sich instabil und wackelt, wenn ich zu engagiert in die Tasten haue, aber ansonsten ist er überaus perfekt, denn ich sitze draußen im Schatten auf der Terrasse, das Meer 6 Etagen unter mir, aber direkt vor meiner Nase. Das Tosen der Wellen ist deutlich und fast so laut wie am Strand zu hören und mit den Windstößen – obwohl es heute im Vergleich zu den letzten Tagen deutlich windstiller ist – dringen leise die „Cerveza, Coca Cola y Agua“-Wortfetzen der mobilen Händler mit ihren großen eisgefüllten und auf Sackkarren festgezurrten Kühlboxen zu mir hinauf.

Vor 15 Minuten saß ich selber noch direkt 2 Meter von der feuchten Linie entfernt, die die Gischt der auslaufenden Wellen auf dem Sand hinterlässt, aber da ich meinem linken Arm dabei zusehen konnte, wie er trotz mehrfachen Eincremens mit Lichtschutzfaktor 30 immer roter wurde, bin ich lieber zurück auf die schattige Terrasse geflüchtet und der frische Kaffee, rechts vom Laptop auf dem Wackeltisch, macht mich gerade überaus zufrieden – auch wenn das Meer so ein paar Meter weiter entfernt ist.

Ich bin in meinem geliebten Spanien, im geliebten Cadiz, am geliebten Atlantik und das Meer macht das, was es so zuverlässig kann. Es brandet, es rauscht, es glitzert in der Sonne, es schäumt, es erhebt sich in massive Wellenberge, überschlägt sich, läuft auf den Strand und dann mit einem leisen Zischen, zieht es sich wieder zurück, um mit Anlauf und der nächsten Welle wieder auf den Strand zuzurennen. Und ich sitze da, gucke, starre, atme, kann nicht weggucken, will keine der Wellen verpassen, weil ich nichts von der Weisheit des Meeres verpassen will. Und langsam merke ich, wie das Tosen, das jetzt so lange und so laut in mir tobt, leiser wird und wie ich nicht nur außen, sondern seit sehr langem endlich auch wieder mal innen, ein bisschen ruhiger werde – und klarer.

Das Meer ist ein guter Ort für Bestandsaufnahmen, denn nach dem üblichen „Ich packe meinen Koffer und nehme mit…“ muss man irgendwann zwischendurch immer mal irgendwo ankommen und auspacken „Ich packe meinen Koffer aus und habe dabei…“. Das gelingt mir nirgendwo so gut wie am Meer und so sitze ich am Strand und statt im mitgeschleppten Buch zu lesen, gucke ich in eine nach der anderen Welle und packe aus. Und zwar das, was wirklich da ist, nicht das, von dem ich mir wünsche, dass es da wäre und das ist auf der einen Seite erschreckend viel und auf der anderen erschreckend wenig. Die wirkt nur häufig so groß, weil das Wünschen so viel Luft hineinpumpt, dass ich viel zu leicht und leider viel zu oft vergesse, dass es nur (m)eine Illusion ist, was ich da in dieser Größe vor mir sehe.

Katja

Bleikristall

Und dann sitzt du da, die bleierne Müdigkeit, die den ganzen Tag auf dir liegt, wird immer schwerer und drückt dir auf die Lider und auf’s Gemüt. Oder ist es das schwere Gemüt, das dich heute so müde macht? Gemütsmüde. Nach zu wenig Schlaf, nach zu viel Grübeln. Es sind immer wieder die gleichen Kreise, die die Gedanken im Kopf drehen und sie winden und wickeln sich spiralig zum Labyrinth und du weißt nicht, wie du da rauskommen sollst. Und ob du da rauskommen willst. Also aus den Gedanken schon, aber sonst so insgesamt? Schwarz oder weiß? Warum nur fällt es dir hier so schwer, die Schattierungen zu sehen? Warum fühlt sich das so oft nach entweder_oder an? Das Rauszufinden wäre ja vielleicht mal ein Anfang, aber du denkst dich beim Draufrumdenken immer daran fest, verkeilst dich und landest mit einem Ruck immer wieder am gleichen Ausgangspunkt. Gehe zurück auf Los. Ziehe keine 4000 DM ein. Und dann beginnt die Runde von vorne und dein Blick fällt auf einen Zettel, der schon seit langem auf deinem Schreibtisch liegt „Du kannst nur dich selber ändern“ und du soifzt leise und denkst „wenn das ja doch mal so einfach wäre und was würde das in diesem Fall überhaupt genau bedeuten und überhaupt und uff?“ und du hast Angst, dass in deinem Inneren etwas in 1000 kleine Scherben zerspringen könnte und dann hängst du in der nächsten Spiralwicklung, weil wegen und weil weil. Weil. Weile. Verweilen.

Immer wenn sich nichts mehr tut, 
hab ich das Gefühl, es wird nie wieder gut.
Aber schon nach ein paar Schmerzen kommt der Mut zurück.
Und in den Venen fließt das Blut,
und ich hab das Gefühl es ist Feuer und Glut.
Und es strömt hin zum Herzen, und dann hat man wieder Glück.

(Lukas Meister – Weiter)

Katja

Mein Stern explodiert

Als ich vor ein paar Tagen hier die 3 guten Dinge des Tages gebloggt habe, hat eine Freundin mich gefragt, ob wir eine Weile täglich zusammen sammeln wollen, weil es ihr auch gut täte, da ein bisschen drauf zu fokussieren und gerade sitze ich mit den Fingern auf der Tastatur und überlege, was heute gut war. Gefühlt ist da heute nur Schwere in mir. Mit fieser Erkältung und ’nem Brummschädel wie nach zu viel schlechtem Wein – obwohl ich mit einem Tag Ausnahme schon den ganzen September überaus diszipliniert keinen Alkohol trinke – aufgewacht und auch innen ist alles schon wieder wund und voller Traurigkeit.

Mich selber traurig denken, das kann ich leider gerade sehr zuverlässig. Im Draußen muss gar nichts passieren, es reicht, wenn mein Kopf meinem Herz Vorträge hält und den Finger in die klaffende Wunde drückt. Die Diskrepanz zwischen den beiden könnte größer wieder mal nicht sein und zwischen dem, was der Kopf weiß und dem, was das Herz will, hänge irgendwo mittendrin ich. Wankend. Schwankend. Zerfasert. Zerrissen. What for? Und ich merke, wie ich schon wieder verdränge und die Augen schließe, weil ich nicht sehen will, was in Leuchtschrift von innen auf die Lider projiziert wird, was natürlich nicht geht und mit schwankender Präsenz, wankschwanke ich so rum. Projiziert. Gutes StichwORRRRRt übrigens.

Stopp jetzt. Reicht für heute. Jetzt mal Konzentration:

#3guteDingedesTages

* Quark mit Feigen und Walnüssen ❤

* am Aufenthalt in Barcelona rumgeplant (zu-wenig-Zeit-für-zu-viele-Dinge-die-ich-gerne-sehen-möchte-Mimimi)

* heute Morgen der Blick in die Blogstatistik, die gestern wegen meines Textes von vorgestern und weil @erzaehlmirnix den Link auf Twitter geteilt hat, durch die Decke gegangen ist. (Uffff. Das ist gleichermaßen schön, wie auch beängstigend, dass so viele den Text gelesen haben, der mir so schwer gefallen ist)

Ich bin das Chaos
Hey – wo willst du hin?
Ich bin das Chaos
Hey – du weißt wer ich bin
Ich bin das Chaos

Ein tanzender Stern?
Immer gern
Immer gern
Mein Stern
Tanzt
So

Mein Stern explodiert
In tausend Teile
Und ich räum
Keine wieder auf

(Judith Holofernes – Ich bin das Chaos)

Katja

Junimond

Manchmal muss man die alten Narben betrachten, vorsichtig mit dem Finger ihre Konturen nachfahren, die kleinen Krater und Wölbungen mit den Fingerspitzen ertasten, hier verharren, dort nochmal drüber streichen und nachspüren, ob die Stelle empfindlich oder taub ist, ob man dort noch etwas spürt, wieder etwas spürt, ob die Wunde endgültig verheilt ist und ob die feinen Nervenenden wieder zusammen gewachsen sind.

Doch jetzt tut’s nicht mehr weh
Nee, jetzt tut’s nicht mehr weh
Und alles bleibt stumm
Und kein Sturm kommt auf
Wenn ich dich seh

(Rio Reiser – Junimond)

Katja

Absacker

Und dann, nach einem langen Tag, der um 7 mit Schnippeln und Vorbereiten und Machen für Gäste zum Grillen begonnen hat und gerade mit einem Yukon Jack auf Eis neben der Tastatur endet, ist der Kopf gleichzeitig voll und leer und leicht und schwer.

Die Gedanken sind wieder da und mäandern im Kopf herum. Die harten Konturen des grellen Morgens verwischen gerade durch den Alkohol. Die heißbrennende Wut ist schon vor ein paar Stunden verglüht. ¿Qué pasa conmigo, qué pasa contigo? Was ist das für ein Ritt auf Schrödingers Pferd? ¿Qué pasa?

So viele Fragen und mir fehlen die Ant_WORTE_n. Warten statt Worten. It’s up to you.

Beweg dein Herz zum Hirn
Schick beide auf die Reise
Tanz tanz tanz aber dreh dich nicht
Dreh dich nicht im Kreise

(Stoppok – Tanz)

Katja

Quicksand

Und dann reicht ein Satz aus, nein fast nur ein Wort und eine schlaflose Nacht und ein Gedanke, der dich nicht mehr loslässt. Und vielleicht war das der entscheidende Satz für den entscheidenden Gedanken, auf dem Weg herauszufinden, wo dir möglicherweise derzeit so viel von deinem ohnehin nicht besonders großen und recht neuen Selbstbewusstsein verloren geht. Like quicksand. I can’t stand. Ufff.

Jetzt erst mal rausfinden, wie rum die Katze da gerade im Kreis rennt, die sich selber in den Schwanz beißt und wie du da wieder rauskommst. Vielleicht ist das ähnlich wie beim Sport. Aufraffen. Ankämpfen. Machen.

Einatmen. Rücken gerade. Ausatmen. Brust raus. Und von vorne.

Was auch immer das noch ist,
was da leise durch den Kopf schwirrt,
hab den Mut und schmeiss es raus,
wenn es traurig in dein Herz irrt.

Wenn’s dich anschreit und nicht loslässt
und sich bitter in den Weg stellt
Mit dem Stolz von 1000 Seelen
gegen eine die ihr Wort hält

oooooh
Lass es los und lass es frei
ooooooh
Lass es gehn, dann gehts vorbei

(Jupiter Jones – Fulda Horasplatz)

Katja