Im Vergleich zu den Monaten vorher, habe ich im April nicht so viel gelesen, was möglicherweise auch ein bisschen daran lag, dass ich mich durch den 800-Seiten-Band von Elizabeth George dieses Mal wirklich ziemlich durchquälen musste.
Dafür waren die anderen beiden Bücher wirklich groß! John Green hat mir so gut gefallen, dass ich im Moment schon das nächste von ihm lese und den Baker, auf den ich durch Anettes Rezension gestoßen bin, hätte ich am liebsten auch nicht aus der Hand gelegt. (Wer Anettes Blog noch nicht kennt, der bzw. dem sei es hier übrigens mal warm empfohlen. Ich mag eigentlich lieber so gemischte Feld-Wald-und-Wiesenblogs und lese wenige monothematische Blogs, aber Anettes Bücherblog lese ich unheimlich gerne, weil ich ihre Rezensionen als genau richtig empfinde. Die sind so informativ, dass ich eine Vorstellung davon bekomme, ob das Buch was für mich wäre und kurz genug, dass ich sie gerne lese.)
John Green – Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen)
Nachdem ich vor kurzem den Film ‚Das Schicksal ist ein mieser Verräter‘ gesehen hatte, wollte ich unbedingt ein Buch von John Green lesen – nur nicht direkt das Schicksal, da wusste ich ja schon, dass mir der Film gefallen hatte und der Eindruck war auch noch zu frisch. Also wurde es ‚Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen)‘.
Colin ist ein hochbegabtes Wunderkind, der – als eine seiner Besonderheiten – aus allem (im Kopf) Anagramme bildet. Eine weitere Besonderheit ist, dass Colin, schon ganze 19 Freundinnen hatte. Das alleine mag noch keine so aussergewöhnliche Besonderheit sein, doch alle 19 hießen Katherine. Gerade hat Katherine XIX sein Herz gebrochen und Colin lässt das Sommercamp für Wunderkinder in diesem Jahr ausfallen und steigt mit seinem (einzigen) Freund Hassan ins Auto und die beiden fahren einfach drauf los bis sie ein Schild an der Autobahn entdecken, das besagt, dass man in Gutshot das Grab von Franz Ferdinand besichtigen kann.
Bei der Führung lernen sie Lindsey Lee Wells kennen und kurz darauf deren Mutter, die in einer rosafarbenen Villa lebt und DIE Fabrik des Ortes betreibt. Hollis bietet den beiden einen Ferienjob an und so bleiben sie in Gutshot, wo Colin an einem Theorem arbeitet, bei dem er seine Erfahrungswerte mit den 19 Katherines in eine Formel verwursten will, die sämtliche Beziehungen in ihrer Länge und der Frage, wer wen sitzen lassen wird, erfasst und somit das Liebesglück vorhersehbar macht.
Nebenbei schließen sie Freundschaft mit Lindsey, Hassan küsst zum ersten Mal ein Mädchen, Colin lernt Geschichten so zu erzählen, dass sie nicht langweilig sind und sie gehen auf Schweinejagd und scheuchen dabei nicht nur angriffslustige Hornissen auf.
‚Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen)‘ ist eigentlich ein Jugendbuch, abgesehen davon, dass die Protagonisten Jugendliche sind, merkt man ihm das aber mMn wenig an und es ist auch für Erwachsene gut lesbar. Worauf ich nach dem Film gehofft hatte, hat sich als für mich wahr herausgestellt: John Green weiss auf jeden Fall, wie man Geschichten erzählt. Die Charaktere haben Tiefe, die Geschichte ist interessant und gut lesbar erzählt und bekommt immer noch rechtzeitig die Kurve, bevor es ins Kitschige abgleitet. Tolles Buch. Mehr von John Green bitte!
Elizabeth George – Asche zu Asche
„Asche zu Asche“ ist handlungschronologisch der 7. Band um Elizabeth Georges Inspector Lynley und ich habe erst gerade, nachdem ich fertig war gemerkt, dass ich ihn versehentlich vorm 6. gelesen habe – was aber so wenig stört, dass es mir tatsächlich erst nach der Lektüre aufgefallen ist.
Nachdem die vorherigen Bände so um und bei 450 Seiten hatten, kommt „Asche zu Asche“ mit 800 Seiten fast doppelt so dick daher und das hat dem Buch, mMn nicht so arg gut getan. Vielleicht ist es auch die Überladung der Handlung, weswegen ich mit diesem Band bisher insgesamt am wenigsten anfangen kann. Der Mord an Kenneth Fleming, einem bekannten Cricket Champion und die folgende Ermittlung, eine militante Organisiation, die Labortiere befreit, die ALS Erkrankung einer der Protagonistinnen. Da werden viele Dinge miteinander verknüpft, viele Fäden aufgenommen – zudem macht Lynley seiner Angebeteten einen Heiratsantrag, seine Partnerin im Team bei Scotland Yard, Barbara Havers, hat eine neue Wohnung bezogen, die örtliche Polizei in Kent und deren Brandexpertin ermitteln parallel und es kommt zu Reibereien – aber alles wirkt ein bisschen halbherzig in diesem Band. Viele angefangene Fäden werden nicht zu Ende gesponnen, sondern gehen einfach unterwegs verloren. Dafür werden die Klischees umso deutlicher gezeichnet. Was mich in bisherigen Bänden fasziniert hat – die unterschiedlichen sozialen Schichten, denen Lynley und Havers angehören und wie sie sich dabei in den Ermittlungen ergänzen, das alles kommt dieses Mal nicht so wirklich hervor und in der Beziehung zwischen Lynley und dessen mittlerweile Verlobten Helen zementiert George Rollenbilder aus dem vorigen Jahrhundert.
Näää. Das war nicht meiner und momentan bin ich nicht so erpicht* darauf, die Serie überhaupt weiterzulesen.
Jo Baker – Im Hause Longbourn
Während sich in den oberen Etagen des Hauses Longbourn Jane Bennet in Mister Bingley verliebt und Elisabeth Bennet damit beschäftigt ist, Mister Darcy abscheulich zu finden, sorgen die Dienstboten des Hauses für einen möglichst reibungslosen Ablauf des Haushalts. Um genau jene Dienstboten bei den Bennets geht es „Im Hause Longbourn“ von Jo Baker. Während ganz am Rande des Buches die Handlung von Jane Austens großartigem „Stolz und Vorurteil“ abläuft, beschreibt Jo Baker das Leben der Angestellten im Hause. Hauptperson ist dabei Sarah, eines der Hausmädchen und man bekommt einen völlig anderen (zusätzlichen) Blick auf das Leben in England zu jener Zeit. Während bei Jane Austens Geschichte die Mahlzeiten, wenn Gäste da sind, aufgetischt werden, bekommt man bei Jo Baker Einblick in die Zubereitung in der Küche. Der Besuch des Erben bekommt eine ganz andere Bedeutung, wenn die Bediensteten versuchen, ihre Stellungen für die ungewisse Zukunft zu sichern und dass die Bennet-Töchter ständig über staubige oder gar matschige Landstraßen spazieren gehen, bekommt eine ganz andere Note, wenn man es aus der Sicht deren erlebt, die die dreckverkrusteten Rocksäume wieder sauberschrubben müssen – bis die Hände bluten und darüber hinaus.
Das wirklich geniale an dem Buch ist für mich aber, dass es eine ganz eigenständige Geschichte erzählt, bei der es zwar Überlappungen zu Austens Werk gibt (und natürlich ist der Lesegenuss größer, wenn man die Geschichte um Elizabeth und Darcy kennt), die aber trotzdem ganz für sich alleine steht. Es ist keine Nebenhandlung zur ‚Hauptgeschichte‘, sondern ein Buch über das Leben der Dienstboten – und speziell des Hausmädchens Sarah – um die Jahrhundertwende vom 18. ins 19. Jahrhundert. Dabei ist die Sprache etwas rauher und die Themen etwas derber als bei Austen, das ist sehr stimmig für den geringeren Stand der Figuren.
Schönes, spannendes und interessantes Buch, das angemessen respektvoll mit der Vorlage Austens, ihren Figuren und ihrer Handlung umgeht. Einzig mit dem Ende tat ich mir ein bisschen schwer und bin nicht sicher, wie realistisch es für die damalige Zeit sein könnte. Aber letztendlich war es sehr stimmig für die Figuren, die ja auch ein wenig eigensinnig sind.
Ich muss jetzt dringend nochmal die BBC Verfilmung mit Colin Firth gucken und die Dienstboten – so sie zu sehen sind – mit angemessener Aufmerksamkeit und Respekt betrachten.
Katja
[*Die Redewendung „auf etwas erpicht sein“ stammt übrigens vom Verb „erpichen“, das im 16. Jahrhundert dafür verwendet wurde, wenn etwas mit Pech festgeklebt wurde. Man ist wie festgeleimt, auf etwas versessen. (Quelle)]