ickemich (Blog / Twitter) war so freundlich, direkt zwei Gastartikel für mein Blog zu schreiben und dieses hier ist der zweite. Ich hoffe, ihr habt genauso viel Freude beim Lesen wie ich hatte! Vielen Dank ickemich, das sind wunderschöne Assoziationen! 🙂
Katja
(Was es mit den Gastartikeln auf sich hat, könnt ihr hier erfahren. Die Rechte am Text und den Fotos liegen natürlich alleine bei ickemich, der so freundlich war, mich das hier veröfftlichen zu lassen.)
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Einen eventuellen zweiten Gastbeitrag für diese Seite hatte ich ja leichtsinnigerweise ebenfalls mit der Gegenbitte verbunden, eine kurze Themenvorgabe zu bekommen. Damals, Anfang September.
Ja, ich hätte wohl auch ohne Vorgabe das eine oder andere zu berichten, aber es nun mal nicht meine Seite. Und die Gedankensprünge hier sollte doch Katja bitte selbst etwas steuern, dachte ich mir so. Also bekam ich eine sehr freundliche zweite Vorgabe. Nur, falls mir die erste so gar nicht zusagt. Der Schwank aus der Jugend. War ja vor Kurzem erst hier zu lesen.
Ein Lieblingsort sollte es diesmal sein. Und ich darf ihn beschreiben. Klar, eigentlich toll. Eigentlich!
Es dauerte dann doch einige Nanosekunden, bis mir so halbwegs bewusst wurde, dass es den Lieblingsort in meinem Leben irgendwie gar nicht gibt. Aber jeder hat doch so einen Lieblingsort, wird nun der eine oder die andere einwenden wollen. Der Ort, wohin man sich zurückzieht, der Ort wo man sich wohlfühlt. Dort, wo man Quatsch machen kann, oder die Seele baumeln lässt, oder beides gleichzeitig. Wo es einfach ist.
Wo man einfach ist.
Sollte ich so etwas wirklich nicht haben? Klar sitze ich gerne mal auf der Terrasse herum, oder liege auf der Couch. Schöne Wald- und Seenplätze kenne ich auch, aber so richtige Rückzugsorte sind das für mich nicht. Oder doch? Aber welcher ist davon der Liebling?
Der Lieblingshafen im Sturm des Lebens?
Eine Art Hafen, ja. So ein Lieblingsort sollte sicher so eine Art Hafen sein. Ein sicherer Hafen an einer mit unruhigen Wettern gesegneten Küste. Dort wo die ungünstigen Winde nicht so schnell hinkommen. Die Brandung an der Mole und den Buhnen zerschellt. Der Schutzort für sich selbst. Das ruhige Wasser. Ein Schutzort für die Vertrauten und die Vertrautheiten. Aber, wo war das für mich so? Gab es da einen bestimmten Ort? Unwahrscheinlich. Wäre mir doch schon längst mal aufgefallen. Wahrscheinlich.
Eine unserer Inseln vielleicht. Sind zwar ein bisschen groß für einen ganz bestimmten Ort, aber sind ja immerhin schon mal ein Ort. Und ein Stück weit weg auch. Blieb also schwierig.
Und dann holte ich die Tochter von der Borkumfähre ab, auch Anfang September. Am siebten September, um genau zu sein. Und natürlich war ich zu früh dort. Konnte es ja kaum erwarten, sie wieder zu sehen. Beim Warten an der Pier dort in Emden wusste ich dann plötzlich, was mein Lieblingsort, was mein Hafen ist. Es sind die Kaimauern und Bootsstege. Der Geruch nach Teer und Fisch. Diese frische Brise mit der leichten Schiffsdieselnote über dem Brackwasser. Die Rufe der Möwen.
Es ist wohl der Hafen selbst. Der Hafen, wenn er denn mit Wasser zu tun hat. Flughäfen nicht, die sind mir zu hektisch. Hektische Durchgangsorte ohne Wasser zumeist. Aber bei den anderen ist es egal wo, nur Wasser muss da drin sein. Im Hafen.
Hier an den Kaimauern fließt das Leben in seinem eigenen Rhythmus. Eile und Lärm kommen wohl mal auf, wenn gerade einer der eingelaufenen großen Pötte gelöscht wird. Also, „wenn eins der im Hafen angekommenen großen Schiffe entladen wird“ für die nicht so nautikaffinen unter euch. Aber auch dieser Lärm, dieses Regen hat dann seinen eigenen für mich sehr angenehmen Beat.
Eilig, ja. Hektisch, nur manchmal. Ganz kurz nur, vielleicht.
So im Hafen herumzusitzen und das Treiben dort zu beäugen, oder auch einfach nur auf das Brackwasser im Hafenbecken zu starren, macht mir den Kopf frei. Die frische Brise auch. In Gedanken verabschiedet man die auslaufenden Boote und Schiffe und gibt ihnen vielleicht auch gedanklich ein paar Dinge mit, die man gerade nicht so gebrauchen kann. Die Skipper nehmen das auch nicht mal übel. Kriegen das ja nicht mit.
Die einlaufenden Schiffe und Boote begrüßt man innerlich und freut sich, dass sie den Hafen ja nun erreicht haben.
Dieses unbestimmte Wohlgefühl, diese Zufriedenheit stellt sich dann bei mir ein.
Natürlich dachte ich nun noch einige Minuten länger darüber nach. Ich dachte zurück. Dachte an früher. Wenn wir nach Rostock fuhren, um meinen Vater abzuholen. Vom Hafen dort. Kam ja nicht so oft vor, dass er mit seinem Trawler dort einlief, als Hochseefischer. Aber alle drei, vier Monate schon. War immer aufregend für mich, klar. Und dort war er, dieser Geruch. Immer.
Die Bootstouren mit Opa über die Havelseen und den Rhin. Ablegen am Steg, im Hafen. Und später dann wieder woanders anlegen. Einlaufen also. Das waren die richtig spannenden Momente. Na gut, die Schleusendurchfahrten waren das auch. Spannend. War ja auch jedes mal so ein bisschen anlegen und ablegen, einlaufen und auslaufen. Und auch der Geruch war dort. Etwas weniger nach Fisch, mehr nach Teer und Diesel. Aber unverkennbar, auch ohne Brackwasser. Es war und ist mein Sommergeruch.
Meine Kindheit, nahe der Elbe und ihren Binnenschiffern trug, neben den Erzählungen meines Decksmannvaters, sicher auch zu meinem Hafenfaible bei. Die Skipper der Schubverbände grüßten immer zurück, wenn wir vom Elbufer aus winkten. Immer! Manchmal sogar mit Nebelhorn. Ich erinnere auch, dass ich einmal dabei geholfen habe, einen von diesen langen Frachtkähnen loszumachen. Im Hafen von Tangermünde. Beim Ablegen, vor dem Auslaufen. Den recht schweren Tampen habe ich sogar an Bord geworfen bekommen.
Und auch später begleitete mich die Häfen. Also, die am Wasser. Ständig. Der Greifswalder Bodden mit seinen Häfen. Stralsund, Vierow und natürlich Greifswald selbst, in Wieck. Da waren die Binnenhäfen in Berlin an Havel und Spree, Wittenberge an der Elbe oder in Koblenz am Rhein. Es ist sicherlich nicht sehr viel Schönes in und um Duisburg. Aber der Hafen, der ist da. In meinen Augen sogar ein wenig schön. Dann Hamburg, natürlich Hamburg. In dem halben Jahr dort war ich gefühlte neun Monate am Hafen. Mindestens!
Und nun Ostfriesland, schon recht lange meine Heimat, mein Hafen.
Leer, Norddeich, die Emsdörfer mit ihren Marinas und Fähranlegern. Dann Greetsiel, Bensersiel, Neßmersiel, Dornumersiel und all die anderen „-siels“ entlang der Küste. Alle ihren eigenen Hafen, diese Siels. Ihre jeweils eigentümlichen Häfen und Anleger um genau zu sein. Bietet sich ja auch an, hinter so einem Siel.
Und natürlich Emden, die Seehafenstadt. Mit dem Seehafen, logisch. Größer als die Häfen hinter den Sielen, auch logisch.
Die Nichtauskenner dürfen „Siel“ jetzt auch gerne googeln. Es bleibt aber ein Deichdurchbruch. Wiederverschließbar natürlich.
Überall aber platscht das Wasser gegen Kaimauern oder Planken der Stege. Gleichmäßig, im eigenen Rhythmus und die Zeit passt sich ihm an. Diesem Klang. Weil es dort eben nicht anders geht. Weil es dort immer etwas aufbrist, und nach Teer riecht, und nach Fisch und Schiffsdiesel. Und die Möwen dort schreien.
Ja, das ist mein Lieblingsort.

Ich will nicht behaupten, dass ich nun durch diesen Gastbeitrag meinen Lieblingsort gefunden hätte. Gefunden hatte ich ihn sicher schon längst, deswegen war er wohl auch immer irgendwie da.
Aber er ist mir bewusster geworden. Der Hafen mit seinen Geräuschen und seinem Geruch, seinem eigenen Takt. Egal wo.
Dafür, bedanke ich mich bei der Themenvorgeberin.
Und auch dafür, dass ich dies alles hier in epischer Breite schildern durfte, bedanke ich mich ganz öffentlich recht herzlich.
Und bei euch, die ihr so tapfer bis zum Schluss durchgehalten habt, natürlich auch. 😉
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