Schon vor einiger Zeit habe ich etwas gelesen, was mich aus Gründen sehr berührt, beeindruckt und froh gemacht hat. Mein erster Impuls war, dass ich diese Begeisterung und Freude mitteilen wollte, am liebsten in Richtung des Verfassers jenes Dingens, das mich so beeindruckt hatte.
Nur leider sprang dann prompt mein innerer Zensor von seinem Stuhl hoch, wedelte aufgeregt mit den Armen und gebot mir zu schweigen. „Kannste doch nicht machen„, sagte der und betonte, wie es so seine Art ist, total übertrieben sämtliche Satzenden, „das ist doch voll übertrieben, wie du dich wieder mal freust! Damit erschreckst du die Leute nur, schreckst sie ab und unangenehm ist das demjenigen bestimmt auch. Jetzt setz dich lieber mal hier zu mir und wir schämen uns ein bisschen zusammen über solche komischen Gefühlsausbrüche! Und dann behalten wir das mal schön für uns! Immerhin blamierst du hier uns beide und ich hab einen RUF zu verlieren! Einen Ruf!“
Hmja, der ist schon ein bisschen eitel und irgendwie stolz darauf, dass er mich oft so gut unter Kontrolle hat. Und wie das so im Internet läuft, das kommt ihm irgendwie total entgegen. Wenn einem was gefällt, dann drückt man mal kurz mit dem Zeigefinger auf die Maustaste und klickt auf eine ‚Likegefälltmiroderwasauchimmer‘-Schaltfläche und das reicht doch dann auch an Emotion! Da kann man nichts falsch machen, das ist hier alles genormt und geordnet mit dieser Freude! Klick, gefällt mir, ach und guck mal, den 2, 3, 14 anderen auch, die schon geklickt haben.
Manchmal, da schafft er es auch, der Zensor, dass ich dann selber denke „das kannste doch nicht machen, das ist für eine erwachsene Frau doch wirklich peinlich, sich so zu freuen“. Aber manchmal ist auch diese andere Seite in mir lauter, die unnachgiebig verlangt, genau das doch zu machen, weil da jemand viel Zeit (was man ja oft ahnen kann) und Herzblut (was man manchmal bei Texten zwischen den Zeilen raustropfen sehen kann, wenn man genau hinschaut) in eine Sache gesteckt hat und weil es sich einfach völlig falsch anfühlt, da schweigend und nur mit einem Klick wieder wegzugehen. Ganz zum Glück, gelingt es mir dann gelegentlich auch, nach zähen inneren Verhandlungen, den Zensor Zensor sein zu lassen und mit Superlativen um mich zu werfen, wenn ich das Gefühl habe, dass nichts darunter dem gerecht wird, was beim Lesen mit mir passiert ist.
So bequem und einfach das mit den Like-Knöpfchen im Web ist, so steril und fern kommt es mir oft vor. Wenn ein Text mich zu Tränen rührt – und ich habe verflucht nah am Wasser gebaut, das passiert also gar nicht so selten – oder wenn mich ein Text schallend zum Lachen bringt oder wenn ich während ich lese, permanent mit dem Kopf nicke oder auch, wenn sich beim Lesen etwas in mir sträubt – diese ganze Bandbreite an (Be-)Rührung durch einen Text kann ein und derselbe Knopf doch nie im Leben ausdrücken.
Wenn jemand viel Zeit und im Idealfall noch dazu Herzblut investiert hat und etwas Großartiges dabei herausgekommen ist, was mich auf eine dieser vielfältigen Weisen berührt, dann ist eigentlich das Mindeste, was ich an Gegenleistung dafür erbringen kann, genau das zu sagen. Nicht über einen Knopf, sondern über richtige Worte, die auch ausdrücken, was da mit mir passiert ist. Alles andere, fühlt sich irgendwo, tief in mir drin, wie eine Art ‚Diebstahl‘ an, denn ich bin so reich beschenkt worden und sage nicht mal „Dankeschön“.
Ich habe das mit Wochen Verspätung bei jenem eingangs erwähnten Beispiel getan und ich habe dafür wirklich länger innerlich mit mir gerungen. Bei diesem Ringen mit mir selber ist mir aber auch aufgefallen, dass das eigentlich völlig idiotisch ist. Wie zur Hölle kommt dieser Zensor in mir denn überhaupt auf die Idee, es wäre irgendwie doof, jemandem zu sagen, dass man etwas gut findet, was derjenige gemacht (im Internet häufig zu verstehen als: geschrieben) hat? Warum ist es so leicht, einen like-Knopf zu drücken, aber so schwierig, 2, 3 Sätze zu formulieren, die im Grunde etwas ähnliches aussagen, nur ausführlicher? Warum fürchte ich, ich könnte mich lächerlich machen, wenn im jemandem sage „Was du da machst, finde ich gut“? Wenn ich mir doch wünsche, dass das Internet ein warmer und kuschliger Ort ist (und oft fühlt es sich ja auch so an), warum fällt es mir dann manchmal so schwer, diese Distanz aufzugeben, die der Knopf so verführerisch bereit hält? Eigentlich will ich die doch gar nicht. Ich will hier Menschen nahe kommen und mich von Texten und Gedanken berühren lassen (und vielleicht auch manchmal das ganze in umgekehrter Richtung bewirken, das würde mich sehr glücklich machen).
Da ist vieles in mir passiert, auf dem ich noch ein bisschen herumdenken muss. Was ich aber jetzt schon weiss: ich will mich freuen, mit all dem Enthusiasmus, mit dem ich mich eben manchmal freue und ich will mich häufiger trauen, das auch auszudrücken, ohne Angst zu haben, damit zu nahe zu treten! Der, von dem ich mich ausdrücklich distanzieren will, das ist mein innerer Zensor und weil es hier ja nirgendwo Dislike-Knöpfe gibt, sage ich ihm das hiermit einfach ins Gesicht (und ihm den Kampf an)!
Katja
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