2000 \o/ und die Sache mit der Angst / 7 to go

Irgendwann heute Nachmittag fiel mir ganz zufällig ins Auge, dass mein Blog aktuell 1.999 veröffentliche Beiträge zählt, dass also der nächste veröffentliche und das ist natürlich genau derjenige, den ich jetzt zu tippen begonnen habe, der zweitausendste Blogeintrag wird, was eine wirklich enorme Menge ist. Der nächste Gedanke war dann direkt die Frage, ob ich da nicht irgendwas Besonderes schreiben müsste, irgendwas Wichtiges, so x-tausendste Blogeinträge schreibt man ja nicht alle Nase lang und ich habe fast genau 8 Jahre für die 2k gebraucht. Aber das, was mich heute wirklich seit mittags beschäftigt ist nicht mal irgendwas Eigenes, sondern ein paar Mails und zwei Artikel, die ich las und dann fiel mir auf, dass das vielleicht genau der richtige Rahmen ist – so ein x-tausendster Eintrag, denn das ist ja nunmal genau das Thema, das mir am Herzen liegt, nämlich die Angst. Genauer gesagt die im großen Rahmen der Angststörung.

Nachdem ich schon seit einiger Zeit großartig finde, was Nicholas Müller – ehemals Frontmann von Jupiter Jones, jetzt Teil der wunderbaren Von Brücken Familie – alles tut, um das Tabu zu brechen, über Angst(-störungen) zu reden, erschien vor ein paar Tagen ein Artikel von Franziska Seyboldt in der taz, in dem sie ausführlich über ihre Angststörung und das Leben und den Umgang damit schreibt. Den Tab hatte ich, seit er mir bei Erscheinen in die Twitter-Timeline gespült wurde offen, aber zum Lesen des wirklich langen Artikels bin ich erst heute gekommen, nachdem ein Freund mir per eMail den Link nochmal schickte. Passenderweise hat sie im Rahmen des Artikelschreibens auch Nicholas getroffen und aus diesem Gespräch stammt das folgende Zitat:

Dass ich über meine Angst schreibe, findet Nicholas Müller super. „Eigentlich dürfte das nicht außergewöhnlicher sein als ein Schnupfen“, sagt er. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen Menschen kennen, der eine Angsterkrankung hat, liegt bei 100 Prozent. Oder man kennt einfach unfassbar wenige Menschen.“

Alleine das sollte ein Grund sein, den Artikel, der wirklich einen wertvollen Einblick hinter die Kulisse der Angststörung gibt, zu lesen – selbst, wenn man nicht betroffen ist. Man kennt vermutlich eine*n Betroffene*n und das muss einem nicht zwingend bekannt sein.

Mich hat beim Lesen ein echter Holzhammer erwischt. Verflucht. Was wenn das alles schon viel viel früher da war und ich es nur nicht einzuordnen wusste?
Die Erkenntnis, wo meine ganze Angst ihren Ursprung hat, ist für mich noch neu, war mir bis vor wenigen Wochen nicht in diesem Umfang bewusst, wie es das jetzt ist und die Wurzel liegt nicht bei meinem „Zusammenbruch“, meinem „Nix geht mehr“ vor ein paar Jahren, sondern weit zurück in meiner Kindheit.
Und dann heute der neue Zusammenhang: In meiner Kindheit und Jugend gab es einige Erlebnisse, bei denen mir – so dachte ich bisher – der Kreislauf schlapp machte und ich in Ohnmacht fiel. Dass es sich dabei ausnahmslos um Situationen handelt, in denen ich wahnsinnige Angst hatte, fiel mir heute beim Lesen des Artikels von Franziska Seyboldt wie Schuppen von den Augen und auf einmal ergibt so vieles einen ganz anderen Sinn, werden mir immer mehr Zusammenhänge klar. Das beschäftigt mich gerade sehr…

Kurze Zeit später schickte mir jener Freund noch einen Link zu einem Text, den ich bis dahin noch nicht entdeckt hatte und den empfinde ich als sehr gute und wichtige Ergänzung des eigentlichen Artikels. Es geht um die Sichtbarmachung der Krankheit, um ein Stück Normalität und Offenheit im Umgang damit.

Es bringt nichts, darauf zu warten, dass die Gesellschaft so weit ist, einen als „normal“ anzuerkennen. Eine Gesellschaft passt sich Tatsachen an. Tatsachen werden dadurch geschaffen, dass sich sehr viele Menschen so zeigen, wie sie sind. Und irgendwann guckt niemand mehr doof, wenn Schwule sich küssen, Frauen mit Kopftuch rumlaufen oder im Personalausweis ein drittes Geschlecht steht.

Wenn ich also einen Wunsch äussern dürfte, dann ist es jener, dass ihr euch die Zeit nehmt, den wirklich langen mit dem ersten Zitat verlinkten Artikel zu lesen und am liebsten den mit dem zweiten Zitat verlinkten auch noch hinterher. Wenn ihr auch nicht selber betroffen seid, dann für ein bisschen mehr Verständnis dafür, wie das so ist mit der Angst zu leben.

Dankesehr! ❤

Katja

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