Erinnerungsnotiz: Veränderung

Es fühlt sich nicht anders an, zumindest nicht bewusst und zumindest bisher noch nicht und doch wird mir derzeit häufig bewusst, dass sich (endlich) etwas bewegt in meinem Denken und Fühlen.

Ich merke, meist erst hinterher und wenn ich tatsächlich darüber nachdenke, dass Situationen, die mich früher in ein Loch hätten fallen lassen, mir längst nicht mehr so nahe kommen.

Da ist zB diese Frau auf diesem Portal, bei dem ich mich angemeldet habe. Wir tauschten ein paar Mails, sie stellte irgendwann eine Frage, die ich seltsam fand. Ich antwortete ihr zwar, traute mich aber auch zu schreiben, dass ich die Frage seltsam finde. Das ist eigentlich sehr banal, aber etwas, was ich früher nicht gemacht hätte, denn in meiner Wahrnehmung wäre es früher immer so ausgegangen, dass ich einfach zu empfindlich bin und dass es nur an mir lag, dass ich diese Frage merkwürdig finde. Dann ging es weiter und sie war (so vermute ich zumindest) irritiert, dass ich das geschrieben hatte. Ich habe versucht zu erklären, ich glaube aber sie hat gar nicht verstanden, worauf ich hinauswollte und ich überlegte ein paarmal, ob das schon ein Hinweis darauf ist, dass wir wellenlängentechnisch einfach zu weit voneinander entfernt sind.

Dann, nach ein paar Tagen, schrieb sie mir – für mich aus relativ heiterem Himmel, denn ihre letzte längere Mail wartete noch auf eine Antwort von mir – sie wolle den Kontakt lieber abbrechen, es hätte aber nichts mit mir zu tun.

Und ich las die Mail und ich dachte ‚Hm ok. Das hätte vermutlich eh nicht so gut gepasst.‘. Dann schrieb ich ihr eine kurze Antwort, wünschte ihr alles Gute und dann machte ich mit der Sache weiter, an der ich vorher gewesen war.

Krasser Shice!

Ich, die ich bis vor kurzem nach einer solchen Mail vermutlich den Rest des Tages weinend verbracht hätte.
Ich, die ich bis vor kurzem angefangen hätte, mich selber zu zerfleischen, dass ich etwas so Falsches gemacht habe, dass diese Frau sich zurückzieht noch bevor wir uns ein bisschen kennenlernen konnten.
Ich, die ich bis vor kurzm gedacht hätte, dass ich mich nicht genügend angestrengt hätte, so zu sein, wie sie mich mögen könnte.
Ich, die ich bis vor kurzem gedacht hätte, dass ich gar keine Freunde verdient habe, weil ich so anders und so falsch bin und dass Menschen mich nur so lange mögen, bis sie mich näher kennenlernen.
Ich, die ich bis vor kurzem über Wochen nachts wachgelegen hätte und mich damit gequält hätte, das unbedingt verstehen zu wollen, mich versichern zu wollen, dass es tatsächlich nichts mit mir zu tun hat, hätte nachfragen und erklären wollen, weil ich mich sicherlich falsch verstanden gefühlt hätte.

Das ist neu und anders und für mich sehr krass. Ich glaube, es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich nicht in ewiges Grübeln, Selbstvorwürfe und Schuldgefühle versunken bin, sondern – so vermute ich zumindest – einen etwas realistischeren Blick auf die Situation haben konnte. Wer weiss, was für eine Geschichte die andere mit sich herumträgt, wer weiss, was bei ihr in den Tagen rund um den Mailwechsel noch so im Leben los war, wer weiss…? Natürlich kann es sein, dass es meine Bemerkung war, die ihren Kontaktabbruch ausgelöst hat. Aber, wenn sie nicht in der Lage ist, dann darüber mit mir zu reden und das zu klären, was ich durchaus versucht habe, dann ist das – ausnahmsweise – mal nicht mein Problem und wenn sie solche Dinge nicht mal wieder klären möchte oder kann, dann hätte das tatsächlich nicht gepasst mit uns und ich wäre damit eh nicht glücklich geworden.

*

Zum Jahreswechsel formulierte ich einen einzigen Wunsch und Vorsatz für 2015  und ich wusste und weiss, dass ich vor allem Geduld und Beharrlichkeit aufbringen muss, um endlich meine eingetretenen Denkmuster hinter mir lassen zu können. Bis Mitte Januar habe ich noch gebraucht, um mich endlich aufzuraffen. Seitdem verbringe ich wirklich viel und fast täglich Zeit damit, die Nase (wieder) in Ratgeber zu stecken, um die ich vorher lange Jahre einen Bogen gemacht habe, ich mache Übungen, ich notiere mir Dinge, ich merke, wenn ich schlecht über mich selber denke und versuche, meine Gedanken zu korrigieren. Ich merke, wie in den letzten Wochen ein paar Dinge wie Puzzleteile einrasten und wie ich immer deutlicher verstehe, wo die Gedanken herkommen. Ich merke, wie es mir mal gelingt, mit Abstand daraufzusehen und wie ich dann, vor allem, wenn es mir schlecht geht, wieder ganz tief mitten drin hänge und nicht rauskomme. Aber das alles ist mir gerade Zeichen von Bewegung. Denn selbst, wenn ich tief drin hänge, fällt mir das Drinhängen auf und ich weiss oft, woran es liegt. Das fühlt sich alles irgendwie sehr meta an, als würde ich mich im Erleben und Denken von aussen betrachten.

Und dann gibt es solche Ereignisse, wie das oben beschriebene, bei denen mir erst hinterher irgendwann im Laufe der nächsten Tage aufgeht, wie anders ich darauf reagiert habe als ich das früher hätte. Mir wird dann schlagartig dieser frühere Ablauf und all die negativen Gedanken und Gefühle, die das eigentlich nach sich gezogen hätte, bewusst, die einfach so ausgeblieben sind. Das sind die Momente, in denen ich tatsächlich merke, dass ich voran komme, dass die Zeit gut investiert ist und meine Methode doch irgendwie zu funktionieren scheint.

Und – was noch viel schwerer wiegt – ich bekomme eine Ahnung davon, wie sich das Leben anfühlen könnte, vielleicht irgendwann mal anfühlen wird.

Katja

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9 Kommentare zu “Erinnerungsnotiz: Veränderung

  1. Ein sehr schöner Beitrag! 🙂

    Es freut mich, dass es voran geht und dass es dir vor allem auch auffällt. ^^

    Ich wünsche dir, dass es so weiter geht und du die Kraft hast, auch die unausweichlichen Tiefen zu überstehen. 😉

    Außerdem finde ich deinen Beitrag auch für mich persönlich mutmachend. Ich schlage mich auch mit sozialen Ängsten herum und finde es sehr motivierend, von solchen Fortschritten bei anderen zu lesen.
    Das zeigt mir, dass man sich wirklich ändern kann und dem nicht hilflos ausgeliefert bleiben muss.

    Also danke für diesen Beitrag! 🙂

  2. Oh, ick freu mir wie Bolle für Dich!!!
    Das Beste daran ist, finde ich, dass Du/ man ein Gefühl davon bekomm(s)t wie es werden kann, ein Leben mit weniger Ängsten und unnötigem Selbstzerfleischen.
    Das fand ich damals in meiner depressiven, ängstlichen Zeit so schrecklich, dass einem die Perspektive fehlt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es jemals wieder hell wird in meinem Leben. Dass das zitternde Elend irgendwann zu Ende ist und ich den Kopf wieder unter der Bettdecke vorstrecke und sogar aufstehe und raus gehe…und das es schön sein kann da draußen!
    Gruß und Kuß,
    Julius

  3. @Julia: :)!

    @Eni: Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und diese Rückmeldung! Es ermutigt mich selber, jetzt auch dran zu bleiben und weiter daran zu arbeiten, wo ich merke, dass ich tatsächlich im Moment so vorankomme. 🙂

    @Anette: Dankeschön! 🙂

    @Jule: An diese zitternde, ganz schlimmste Zeit, denke ich nur selten zurück. Ich habe auch gar nicht viele Erinnerungen daran (was vielleicht auch ganz gut so ist). Ich glaube damals waren mir dann solche Dinge auch noch nicht so bewusst und ich habe nicht so darauf geachtet und das aufgedröselt. Diese intensive Selbstbeobachtung kam bei mir erst mit dem Bloggen und da waren die schlimmsten Jahre schon vorüber.
    Aber jetzt zu merken, dass ich mich selber anders behandeln kann, als ich das immer getan habe. Dass ich freundlich(er) mit mir umgehen kann, das ist schon sehr grandios. (Und ich hoffe so, dass ich davon nicht wieder herb zurückfalle.)
    Ich freu mich sehr über dein dolles Mitfreuen, lieber Kuss-Julius! ❤

    • @Rebekka: Ich find’s gerade total gut durch deine Kommentare nochmal in die alten Beiträge reinzugucken und zu überlegen, was sich seitdem getan hat. Danke. 🙂

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