Irgendwie ist das gerade keine so geschmeidige Verbindung, die Bücher und ich. Aber vielleicht muss das nach so langer Dauerlesezeit einfach mal sein, dass ich ein bisschen weniger Seiten verschlinge. Und wenn es dazu dient, diese fiese Stimme im eigenen Kopf, die selbst Lesen unter Leistungsaspekte stellt, ruhig zu bekommen. Als einziges ausgelesen habe ich:
Minette Walters – Schlangenlinien
Das war jetzt insgesamt mein sechster Roman von Minette Walters und was sie alle gemeinsam haben ist, dass ich eine Weile brauche, bis ich in die Geschichten reinkomme und dann überhaupt nicht merke, wie ich immer tiefer hineingerate.
In Schlangenlinien geht es um einen 20 Jahre zurückliegenden Todesfall, den die Polizei als Unfalltod zu den Akten gelegt hatte. Nur die Lehrerin, M. Ranelagh (deren Vornamen man übrigens im ganzen Buch nicht erfährt), die die schwerverletzte schwarze Nachbarin vor ihrer Haustür in der Gosse findet, wo sie kurz darauf stirbt, ist überzeugt, dass die am Tourette-Syndrom erkrankte Ann Butts, Opfer eines rassistisch motivierten Mordes einer ihrer Nachbarn wurde. Niemand glaubt ihr, sie wird in der Folge terrorisiert, ihre Ehe zerbricht fast und sie verlässt mit ihrem Mann für die nächsten 20 Jahre England. Insgeheim stellt sie jedoch ihre Nachforschungen nie ein, schreibt jahrelang erst Briefe, später eMails, um herauszufinden, was sich in jenem November 1978 tatsächlich in der Graham Road ereignet hatte.
Nach 20 Jahren – und dort setzt der Roman eigentlich erst richtig ein – kehrt sie zurück und setzt die gesammelten Puzzlestücke zusammen.
Ich mag an Minette Walters Romanen unter anderem, dass sie häufig nicht nur die Geschichte erzählt, sondern ausserdem Polizeiberichte oder Briefe oder Ärzteberichte und dergleichen in die Erzählung einfügt. Mal tut sie das, um Hintergrundinformation zu dem gerade gelesenen Kapitel zu liefern, mal um eine Diskrepanz zwischen dem gerade Geschilderten und dem ‚Faktenhintergrund‘ zu erzeugen. Diese Methode kannte ich so nicht von anderen Autoren und beim ersten Buch, bei dem ich darauf stieß, irritierte mich das erst mal, dass der Erzähl- und damit auch Lesefluss, so eine Unterbrechung hatte. Aber tatsächlich ist es so, dass ich das mittlerweile als unheimlich geschickte Methode empfinde, die Geschichte plastischer und realistischer wirken zu lassen. Diese ‚Dokumente‘ haben eine ganz andere Wirkung als eine bloße Erzählung bei der man immer weiss, dass sie fabuliert ist. Sehr geschickte Manipulation beim Lesen, die aber trotz ihrer Durchschaubarkeit bei mir gut wirkt.
Wenn ich vor meinem ungelesenen Bücherstapel stehe und so gar nicht weiss, worauf ich als nächstes Lust habe – Minette Walters geht fast immer (allerdings nie mehrere hintereinander). Deswegen muss auch bald der nächste her!
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Und dann habe ich noch fast komplett den (blauen) ADAC-Reiseführer Toskana gelesen. Was schön war, weil wegen Urlaub. Was aber blöd war, weil wegen schlechtes Teil. Der macht leider nur wenig von dem richtig, was ein Reiseführer können sollte. Er wirft mit Fachbegriffen aus Architektur und Sakralbau und Kunst um sich, ohne sie zu erklären. Das was er als Top-Tipps ausweist sind nur die Dinge, die ohnehin Touristenattraktionen sind – es gibt aber keine echten Geheimtipps für Dinge zum Ansehen oder kleine Lokale oder was auch immer, die fernab des Mainstreams liegen und dabei bleibt er in allen Beschreibungen blutleer und farblos. Mir fehlt hier die Leidenschaft für’s Reisen, das Staunen, die Meinungen. Der Text bleibt immer formell und distanziert und das ist nichts, womit ich beim Reisen etwas anfangen könnte. Da will ich auch gerne mal Begeisterung für eine Gegend oder Sache rauslesen und ich möchte auch gerne erfahren, was ich mir getrost schenken kann. Das fehlt ihm völlig, diese Warnungen, dass etwas zwar touristisch beliebt ist, aber dass man lieber mal ein Eis essen gehen soll, weil man nichts verpasst, wenn man’s nicht gesehen hat.
Wozu ich gar nichts sagen kann ist der Multimediateil des Reiseführers. Es gibt an etlichen Stellen QR-Codes, die dann zu weiteren Informationen bzw. Videos führen sollen und auch Webadressen zum Abtippen.
Beides mag zwar nett sein, wenn ich vor oder nach der Reise am Informationenzusammensammeln und -suchen bin, aber im Auslandsurlaub nützt mir das gar nichts – selbst mit italienischer SIM nicht, denn das ist langsam und umständlich.
Also falls ihr mal in die Toskana reisen solltet, mache ich hier mal, was dem Reiseführer komplett fehlt – Meinung verbreiten: Kauft das Ding nicht! Der lohnt sich nicht!
(Schleppt lieber den schweren, unhandlichen aus dem Michael Müller-Verlag mit euch rum. Ich kenne zwar jenen der Toskana nicht, weil ich aus Gründen der Handlichkeit und weil es nur für die eine Woche war, aus Formatsgründen jenen vom ADAC gekauft hatte, aber nachträglich tut mir das leid, denn bisher bin ich mit Müller immer sehr gut gereist!)
Katja