Das mit dem Nerv ist gestern in Spanisch passiert. Ich war völlig durch den ganzen Tag, weil ich nächtelang gar nicht oder nur sehr wenig geschlafen hatte und viel unterwegs war über Pfingsten. Gestern Mittag hatte ich dann auch keine Konzentration, um mich an die Hausaufgaben zu setzen und war abends also ohne erledigte Aufgabe im Kurs. Die Grundaufgabe ist immer die gleiche: um das Verfassen von Texten zu üben, schreiben wir auf und lesen dann im Kurs vor, was wir am vergangenen Wochenende gemacht haben. Damit haben wir angefangen als wir vor über einem Jahr die erste Vergangenheitsform gelernt haben und ich mag die Übung eigentlich sehr, weil es nicht nur dafür sorgt, dass wir was durchnehmen, was das doofe Buch nicht vorgibt, sondern weil man dadurch auch die Leute im Kurs sehr viel besser kennengelernt hat – immerhin erzählen wir uns seit über einem Jahr, was wir an den Wochenenden unternehmen. Jetzt hatten wir dooferweise in der letzten Woche eine neue Zeit gelernt – das Indefinido, das noch dazu die richtige Zeit für diesen Zeitraum in der Vergangenheit ist und den Text direkt in der neuen Zeit zu verfassen wäre mir gestern zu viel Herausforderung gewesen.
Und dann komme ich in den Kurs und als ich mich auf Spanisch stammelnd entschuldige, weil ich die Aufgabe nicht gemacht habe, weil ich so alle bin, sagt die Spanischlehrerin mir, ich könne das doch immer so gut, wenn ich’s aufschreibe, ich solle das jetzt einfach frei runterquasseln.
„Jetzt enttäusch mich nicht.“
Und wäre ich nicht mit meinem Matschhirn eh schon völlig überfordert gewesen, hätte sie das spätestens mit diesem Satz geschafft. Enttäusch mich nicht. Meine Wangen brannten heiss und ich stammelte mich durch 3 halbe Sätze, bei denen mir selbst die einfachsten Vokabeln nicht einfallen wollten und der Kloß in meinem Hals wurde immer größer und ich konnte kaum gegen die Tränen ankämpfen und habe dann möglichst schnell die Frage an den Banknachbarn weitergegeben.
Ich ärgere mich so wahnsinnig, dass ich an dieser Stelle nicht einfach ‚Stopp‘ sagen und die Aufgabe verweigern konnte, ich konnte ja vorher ahnen, dass das gestern nicht klappen konnte. Und irgendwie war das ganz schön demotivierend, angesichts der Tatsache, dass ich bis 10 Minuten bevor ich losmusste, mit mir gerungen habe, ob ich nicht lieber schwänzen sollte, weil ich so fertig bin. Aber dann habe ich mich aufgerafft und das sogar noch ein zweites Mal, weil ich als ich gerade losgefahren war gemerkt habe, dass ich komplett ohne Tasche und Spanischsachen ins Auto gestiegen war, was ja nochmal ein deutliches Zeichen dafür war, wie sehr ich durch den Wind war und das geht dann so aus.
Dieser Satz war wie ein Katapult in die Vergangenheit. Und ich weiss nicht, ob ich mir das hinterher nur eingebildet habe, dass sie den ganzen restlichen Abend mit mir geschmollt und mich grantig angeguckt hat, weil ich bei der Aufgabe so kläglich versagt habe (manchmal habe ich den Eindruck, dass es ganz unabhängig von meiner dahingehenden Prägung bei ihr einen ähnlichen Effekt gibt, dass sie unseren Ehrgeiz und unsere Bemühungen als Sympathiebekundungen für sich verbucht und das Ausbleiben dessen, sich dann eben für sie auch doof anfühlt). Aber ich habe hinterher auf der Heimfahrt, als ich über die Situation nochmal nachgedacht habe, gemerkt, wie tief das immer noch in mir verwurzelt ist. Wie sehr mein Selbstwert von meiner Leistung abhängig ist, weil es sich für mich immer noch so anfühlt als sei die Wertschätzung, die ich von aussen erfahre direkt an meine Leistung und mein Funktionieren gekoppelt. Und wer versagt ist nichts wert. *soifz*
Katja
Fühl dich gedrückt.
Ich könnte das übrigens so Knall auf Fall gar nicht, nicht in der besten Verfassung und perfekt vorbereitet. Eine klassische Albtraumsituation für mich – frei vor irgendwelchen Leuten reden zu müssen und nichts mehr zu wissen. Ich kann zwar, wenn ich unbedingt muss, aber dann brauche ich entsprechenden Vorlauf. So wie bei dir hier, da hätte ich nicht mal unfallfrei meinen Namen sagen können.
„Jetzt enttäusch mich nicht“ ist einer der blödesten Sprüche, die es gibt. Als ob jemand in solchen Situationen so richtig Lust drauf hätte, den Lehrer (oder wen auch immer) zu enttäuschen. Vermutlich war es hier nur ermunternd und nicht böse gemeint, bleibt aber trotzdem ein dämlicher Spruch. Dass sie damit die Schatten aus Deiner Vergangenheit gelockt hat, hat sie sicher nicht gewollt; allerdings hätte sie Dich ja auch in Ruhe lassen können, als Du sagtest, Du seist „alle“. Das wäre, bei wem auch immer, das richtige Verhalten gewesen, also sei lieber ein bisschen wütend auf die Lehrerin als auf Dich.
Knuddelwuddel und der Hursch schickt ein Schlabberbussi.
Oh, spezielle Herzchen: ♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥ <– Das sind "Die Lehrerin ist doof, Katja aber gar nicht!"-Herzchen. Haben die Monster eben kreiert. Da sage noch mal einer, die hätten nur Caipi und Nougat im Kopf.
*
Ach Katja … Dieses Phänomen, das du bei deiner Lehrerin wahrgenommen hast, findet sich bei vielen Lehrern. Ich habe es nie verstanden. Interesse am Stoff wurde von ihnen wahrgenommen als Interesse an sie; und Desinteresse wurde persönlich genommen. Ich finde es es nicht gut, wie sie sich verhalten hat. Du hast im Grunde deine Aussage gemacht, du hast gesagt, du kannst das jetzt nicht. Aber der Satz „Enttäusch mich nicht“ würde jeden, wirklich jeden unter Druck setzen! Es wird ihr aber nicht so sehr im Sinn haften bleiben wie dir, was da passiert ist. Ich hoffe und wünsche mir nur für dich, dass du jetzt nicht allzu lange mit einem schlechten Gefühl in den Kurs gehen musst. Das wäre wirklich schade …
Mh. Die Situation kenne ich zur genüge. Ich komme nach einem 10-Stunden-Arbeitstag in die VHS, das Hirn voll mit Arbeitskram, und soll mit einem mal umschalten und frei Fragen beantworten. Kann ich nicht. Kommt nix außer Gestammel. Während die Rentnerinnen neben mir, die nichts anderes zu tun haben als für den Kurs zu lernen, tuscheln und kichern. Und plötzlich bin ich wieder 12 Jahre alt und im Französischkurs, wo ich der schlechteste war und sich alle über mich lustig gemacht haben…. Diese Situation hatte ich schon ein paar Mal, und fast hätte es mich dazu gebracht nicht mehr hinzugehen. Die Kunst ist, sich davon nicht unterkriegen zu lassen.
@Guinan: Danke! *redrück* 🙂
Normalerweise finde ich das freie Reden gar nicht so schlimm, dafür stand ich ja früher oft genug mit dem Rücken zur Tafel. Aber diese Kombination aus Matschhirn, gar nicht vorbereitet und neuer Zeitform, deren Bildung ich noch null kann, hätte mir auch schon gereicht, ganz ohne den Spruch.
@Katrin: Zum Glück kenne ich sie jetzt lange genug und mag sie, dass ich weiss, dass sie das natürlich nicht böse, sondern ermutigend meinte. Bei vhs-Kursen weiss man ja im Grunde, worauf man sich einlässt und dass die Kursleiter nicht unbedingt didaktisches Talent mitbringen.
Kraul den Hursch hinter den Ohren und spendier den Monstern eine Portion Nougat! Die Herzchen sind super. ♥
@Corina: :)!
@Sherry: Hm, vielleicht ist das auch einfach nur menschlich mit ihrer Haltung, nicht schön, aber irgendwie ja doch nachvollziehbar, auch wenn es nicht so sein sollte bei Lehrern. Mensch strebt ja doch dauernd nach Bestätigung. Ich bin ja froh, dass ich das mittlerweile merke, dass mich solche Sprüche natürlich so sehr treffen, weil das meinen Nerv trifft und dass mir das auch bei ihr bewusst wird und ich jetzt nicht denke, dass sie mich nicht mehr leiden kann.
Ich habe übrigens, das hatte ich ganz vergessen mit aufzuschreiben, keine 2 Stunden nach Kursende eine Mail von einer lieben Frau aus dem Kurs bekommen, in der sie mir unter anderem schreibt, dass ich mir das nicht zu Herzen nehmen sollte und dass wirklich alle davon überfordert wären, diesen Hausaufgabenteil ohne vorheriges Aufschreiben frei zu formulieren. Einer anderen Frau war genau das gleiche vor 2 Wochen, als ich nicht da war, passiert.
Das hat mich echt sehr gerührt, dass sie gemerkt hat, dass es mir damit schlecht ging und dass sie mir extra geschrieben hat. Und das ist wirklich gut gegen das Bauchgrummeln vorm nächsten Dienstag, das ich sonst womöglich hätte.
@Silencer: Oh je, das klingt ja krass und so als hätte ich mit meinen Compañeros im Kurs echt Glück. Bei uns gibt es zum Glück kein Tuscheln übereinander und wir lachen oft einfach laut zusammen und gerade über die eigenen Fehler. Das ging nur Dienstag an der Stelle nicht, weil die anderen vermutlich gemerkt haben, dass es mir damit gerade ziemlich mies ging.
Da sind auch keine echten Streber dabei, wir haben jetzt bummelige 3,5 Jahre für A1 gebraucht – das sagt vermutlich genug über unser Tempo. Und über die Jahre – und ich glaube speziell durch diese Aufgabe, wo man so viel über die anderen erfährt – ist aus einem sehr gemischten Haufen von Leuten eine echte Gruppe geworden.
Wenn deine Kurskollegen so drauf sind, braucht’s vermutlich ordentlich Disziplin und Willen, die Sprache zu lernen, um dir das davon nicht vermiesen zu lassen.
An meine ersten Französischstunden habe ich ähnlich gruselige Erinnerungen. Gerade in dem Alter, in dem die zweite Fremdsprache dran kommt, hat man ja eh dauernd Angst sich zu blamieren. Da dann die Aussprache einer fremden Sprache lernen zu müssen ist wahrscheinlich für viele eine peinliche Erfahrung.
Blöder Spruch. Viele Leute verstehen eben nicht, warum man in manchen Situationen nicht so kann, wie sie sich das vorstellen. Wir hatten mal einen Lehrer an der Schule, der uns gesagt habt: „Wenn du mal richtig schlecht drauf bist, sag mir das vor der Stunde und ich frage dich nicht ab.“ Wenn wir das ausgenutzt hätten, hätte er das sicher nicht mehr gelten lassen, aber ich fand das echt klasse. *drück dich*
Toller Lehrer! Ich glaube, die sind tatsächlich rar. 🙂
*rückdrück*