„Pass auf. Es gibt so viele Dinge, von denen ich weiß, mit dir zusammen wären sie großartig. Zum Beispiel mit dem Auto nach Italien zu fahren oder ans Meer, fenzusehen oder sich zu betrinken. Mit dir tanzen zu gehen oder einfach nur spazieren, zu kochen, vielleicht auch einfach nur rumzuliegen, zu flüstern oder zu schlafen. Und wenn ich jetzt mit dir allein fernsehen würde, dann wäre das der Anfang davon, das alles zu wollen. Es würde mich verwirren und mich unsicher machen. Und du weißt genau, dass man nicht einfach nur nebeneinander fernsehen kann, denn um richtig fernzusehen, müsstest du in meinem Arm liegen und den Kopf auf meiner Brust haben. Ich müsste deinen Atem hören und du meinen, und wenn ich lache, dann müsste dir das Bild verwackeln. So in der Art. Und wenn du Durst hast, würde ich dir etwas zu trinken holen, und du müsstest mir danach erklären, was passiert ist, und wahrscheinlich würdest du dabei die Namen der Spieler verwechseln, und ich fände auch das großartig. Deswegen würde ich sofort noch all die anderen Dinge mit dir tun wollen, aber das dürfen wir nicht und das können wir nicht. Wir würden beide nicht mehr ruhig schlafen.“ Erleichtert atmete er aus und starrte wieder auf die Straße, vielleicht auch auf das Haus gegenüber, jedenfalls war sein Blick von mir gewichen, und nun war ich es, die ihn entgeistert ansah, denn ich hatte mir das alles unkomplizierter vorgestellt. Ich mochte ihn. Ich mochte ihn sehr. Und um ihn nicht zu sehr zu mögen, wollte ich Zeit mit ihm verbringen. Um mich an ihn zu gewöhnen. Um der Ersttagseuphorie den Garaus und einer Freundschaft einen Anfang zu machen. So hatte ich mir das überlegt, das war mein Plan. Und mit meinem Vorschlag, Fußball zu schauen, war ich wohl über das Ziel hinausgeschossen.
(Elisabeth Rank, Und im Zweifel für dich selbst, Seite 38/39)
Gestern, als es vor den Autoscheiben nur grau und Regen gab, auf Hin- und Rückfahrt zusammen direkt die erste Hälfte des Buches gelesen und das fühlte sich ganz richtig an, dieses Buch unterwegs zu lesen, beim Lesen auf der Straße zu sein, denn das sind auch Lene und Tonia im Buch.
Seit langem lese und mag ich Lisas Blog, mag ihre Sprache wahnsinnig gerne, die so dichte, nachfühlbare Bilder erzeugt, so treffende Metaphern findet, so auf den Punkt formuliert. Das Buch ist kein leichtes, bringt mich oft zum Schlucken und Innehalten, weil es durch die Sprache so nahe an mich herankommt, mich mitten in diese Gefühle, diese nicht aushaltbare Trauer, mit reinzieht. Großartig wirklich. Keiner meiner stümperhaften Sätze kann das eigentlich so richtig ausdrücken, daher lieber noch so eine Stelle, die mir fast den Atem geraubt hat, weil es so wahr ist, aber ich nie auf die Idee käme, das in Worte zu fassen und auch niemals so passende dafür finden könnte:
Dann musste ich doch noch einmal eingeschlafen sein, denn für eine halbe Sekunde nach dem Aufwachen dachte ich, alles sei wie immer.
Das war einer dieser Momente, in denen man sich sammeln kann, die Dinge einordnen und die Lage checken. Man fühlt die Bettdecke, die einzelnen Bestandteile des Körpers. In dieser Sekunde kann man alles sein und überall. In einem fremden Leben und einem fremden Land, in einem anderen Bett oder Zuhause. Kurz nach dem Aufwachen gibt es noch keine Verankerung, niemand hat in dieser Sekunde Erklärungen für den Lichtschein auf dem Laken, das Muster der Tapete, es ist einfach alles an seinem Platz und hat dennoch nichts mit einem selbst zu tun. Dann kommt man Schritt für Schritt zurück in sein Leben oder das, was man dafür hält, steht wieder mit beiden Beinen auf irgendeinem Boden und weiß, wer man ist und wo, wer neben einem liegt und wer nicht.
(Elisabeth Rank, Und im Zweifel für dich selbst, Seite 90)
Katja