Unvollständige Gedanken über’s Lesen

Manchmal fühlt sich Lesen für mich an, als wäre ich im Wasser. Manche Geschichten plätschern freundlich wie ein kleiner Bach. Und auch wenn es keine größeren Stromschnellen oder Wasserfälle gibt, so sind sie doch aufgrund der am Ufer vorbeiziehenden wechselhaften Landschaft und einem gelegentlich im Wasser schwimmenden Stöckchen, so abwechslungsreich und unterhaltsam, dass ich auf dem Flüsschen dahintreiben kann.

Andere Geschichten, immer noch jene, die sich nach Wasser anfühlen, sind wie das Meer. Kaum habe ich begonnen zu lesen, schwappt die erste reissende Welle über mir zusammen, zieht mich, einem Strudel gleich, in die Tiefe und reisst mich bei jeder Welle mit sich. Solche Geschichten nehmen mich meistens so gefangen, dass ich erst wieder auftauche(n kann), wenn ich sie bis zum Ende gelesen habe.

Dann gibt es Geschichten, die fühlen sich für mich wie Bergsteigen an. Die Sprache ist nicht so eingänglich, gerade so als müsse man konzentriert vor die Füße gucken, um nicht auf dem Geröll auszurutschen und den Halt zu verlieren oder noch schlimmer, gleich den Abhang runterzupurzeln. Jede Seite liegt wie eine Aufgabe vor mir und wenn ich nicht konzentriert bin und die Gedanken nicht gesammelt habe, erwische ich manchmal den falschen Abzweig und muss ein Stück zurückgehen um wieder auf dem richtigen Pfad zu landen.
Insgesamt komme ich oft nur langsam voran, muss häufig innehalten, um wieder zu Atem zu kommen und nutze solche Gelegenheiten, schon mal den Blick schweifen zu lassen.
Einmal am Gipfel angelangt, entschädigt die Aussicht, die Weitsicht für alle Strapazen des Aufstiegs. Das Herz hüpft und ich fühle mich einig mit mir und der Welt um mich rum. Das sind die Texte, die viel mehr als nur die Geschichten an sich sind.

Schlimm sind die Geschichten, bei denen man sich den Weg auf den Berg mühevoll erkämpfen muss und die am Ende des Berges, Gipfel wäre hier einfach nicht passend, im dichten Nebel liegen und nichts weiter als den müffelnden Müll, der zu Füßen liegt, offenbaren.

Katja

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8 Kommentare zu “Unvollständige Gedanken über’s Lesen

  1. Danke. 🙂

    Vielleicht liegt es an der Art der Lektüre und du liest keine „Wassergeschichten“?

    Bei mir ist das oft Trivialliteratur, die sich so anfühlt und die ich wirklich aus Unterhaltungsgründen lese. Das Bachbild hatte ich beim Gedanken an die Donna Leon Romane vor Augen, von denen ich in letzter Zeit ein halbes Dutzend verschlungen habe. Ich fühle mich herrlich unterhalten, mag die Geschichte sehr gerne, auch wenn keine bahnbrechenden Erkenntnisse über das Leben, das Universum und den ganzen Rest dabei herauskommen.

    Das mitreissende Meerbild passt für mich zB zu Geschichten wie dem Kartengeheimnis von Jostein Gaarder, obwohl das als zusätzlichen Bonus noch eine großartige bunte Unterwasserwelt mitbringt. 🙂

    In den Sinn kamen mir diese Bilder übrigens während eines Irrwegs und abschweifenden Gedanken bei dem Berg, den ich gerade erklimme. Zum Glück weiss ich bei diesem (Wind, Sand und Sterne von Antoine de Saint-Exupéry) schon von der grandiosen Aussicht; die blitzt auch auf dem Weg immer wieder durch.

    Und um auch dem letzten Bild noch ein Gesicht zu geben: Die Botschaft des Meeres von Sergio Bambaren, eine der plattesten Möchtegerngeschichten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. (Dabei ist der Strand für meine Träume von ihm gut lesbar und hatte mich speziell bei dem Meertitel auf me(e)hr hoffen lassen.)

    • Mit dem Bachbild komme ich noch ganz gut zurecht, mit dem Meer habe ich eher Probleme. Das liegt aber wohl einfach daran, dass ich nicht so der Typ bin, der in irgendwas versinkt. Sicher entgeht mir dadurch einiges, aber man kanns sich nicht aussuchen…

      • Ah OK, dann ist es die Art des Lesens und gar nicht die des Textes, die den Unterschied ausmacht.
        Ich würde es wohl vermissen, nicht mehr in Dingen (und Büchern) versinken zu können, andererseits nervt das manchmal aber auch, wenn die Energie so gebunden ist und ich mich nicht in der Lage fühle, den Kopf sinnvoll für was anderes zu gebrauchen, bis ich junkiemäßig endlich fertig bin.

  2. Ich kenne Meer und Bergsteigen.
    „Bergsteigen“ habe ich manchmal auch bei Sachtexten, das liegt begründet weil ich noch immer oft Schwierigkeiten mit deutschen Texten habe. Ich verstehe viel und schreibe flüssig. Und doch mir erschließt sich ein Text dadurch, dass er irgendetwas in mir in Gang setzt und wenn ich einen Text zu einem mir fremden oder nicht interessanten Thema lese habe ich eben noch oft das Gefühl ich muss jetzt wirklich jedes Wort verstehen und begreifen damit ich den ganzen Text verstehen kann.
    „Meer“ ist wenn ein Buch oder Text etwas in mir auslöst, dann muss ich gar nicht so viel richtig verstehen und es können auch viele unbekannte Wörter drin sein – dann passt es einfach. Mir fällt auf, dass es sich dabei häufig um Texte handelt, die andere Menschen irgendwie schwierig zu lesen oder zu verstehen finden. Ich muss einfach einen „inneren“ Faden dazu haben, dann geht das schon gut. Und mich kann dann auch nichts ablenken.

    • Schön, dass du mit den Bildern etwas anfangen kannst. 🙂

      Das mit den Sachtexten kenne ich auch, also speziell was du im letzten Satz sagst, dieses Wort für Wort verstehen wollen oder glauben verstehen zu müssen, um den ganzen Text verstehen zu können. Vielleicht ist die Fachtextsprache in der Tat mit einer Fremdsprache vergleichbar.

  3. Ein schöner und sehr gut nachvollziehbarer Vergleich, wie sich Bücher anfühlen können. #top

    OT: Guido und seine Welt. Entweder man mag sie von der ersten Seite an, oder nie. Schön, dass Du sie offensichtlich magst. *hihi*

    • 🙂
      Ich habe aber in der Tat das Gefühl, mir fehlen noch eine Menge Bilder dazu. Das waren jene, die ich spontan im Sinn hatte, weil die Bücher / Geschichten, die sich so anfühlten mir auch noch so präsent waren.

      zu Guido: Das ist eine Lektüre, die ich wirklich herrlich entspannend finde und oft spannend obendrein. Letzteres ist aber lustigerweise, obwohl es ja Kriminalromane sind, gar nicht das Wichtigste. Ist eben wie’n französischer Film. 😀
      Wirklich Danke nochmal für’s Anfixen. 🙂

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